Ist die Bewegung eine Sufi-Tariqa?

Fethullah Gülen

Eine Tariqa ist ein Sufiorden. Sie hat einen Scheich, einen sogenannten Murschid (Lehrmeister), der als spirituelles Oberhaupt der Organisation fungiert, und vereint eine Gruppe von Murids. (Murid ist ein arabisches Wort und bedeutet: Mensch, der sich danach seht, Gott zu erkennen und zu lieben.) In den meisten Fällen ernennt der Scheich zu Lebzeiten seinen Nachfolger, der den Orden dann weiterführt. Jede Tariqa hat daher seine eigene Kette oder Linie von Scheichs. Beim Eintritt in die Tariqa werden jedem Murid vom Murschid bestimmte Gebete präsentiert, die er tagtäglich rezitieren muss (in der Regel vor oder nach dem Nachmittagsgebet, nach dem Abendgebet und nach dem Nachtgebet). Diese Rezitationen sind normalerweise recht umfangreich. Mit Erklimmen höherer Ebenen der spirituellen Entwicklung erhält der Murid jeweils neue Rezitationen.

In der spirituellen Tradition des Islams, die lose als Sufismus definiert wird, waren die Tariqas allseits akzeptierte Ausdrucksformen des Glaubens. Sie haben sich in allen Teilen der muslimischen Welt verbreitet. Die Zugehörigkeit zu einem Sufiorden war nie exklusiv und lässt sich nicht mit der ideologischen Zugehörigkeit zu einer politischen Partei vergleichen. Im Gegensatz zu christlichen Mönchsorden, die durch starre Trennlinien für Autorität und Sakrament gekennzeichnet sind, gehören Sufis oft mehreren Orden gleichzeitig an. Die Nichtexklusivität der Sufiorden hat wichtige Konsequenzen für die soziale Verbreitung des Sufismus. In den Tariqas, die zumeist unpolitisch sind, werden eher Traditionen gepflegt, als individuelle und isolierte Erfahrungen gemacht. Es heißt, dass sie den Islam durch die permanente Infusion lokalen und emotionalen populären Inputs davor bewahren, zu einer kalten und formalistischen Doktrin zu werden. Zu diesem Input gehören auch deduktive Geschichten, Fabeln und Rituale, die radikale Personen für unislamisch halten mögen.

Hizmet ist aber ebenso wenig eine Sufi-Tariqa wie Gülen ein Scheich (Sufimeister). Im Gegensatz zu klassischen Tariqas kennt die Bewegung keine Initiationsriten, keine esoterischen religiösen Praktiken, Verfahrensweisen und Zeremonien und auch keine obskure mystische Terminologie. Die Bewegung erfüllt keines der klassischen sozialen oder organisatorischen Kriterien einer Tariqa.

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