Gülen: Ich habe nichts mit den Verhaftungen zu tun
Nicht das Buch „Armee des Imam“, sondern die Verbindung zu Ergenekon ist der Grund für die Festnahme zweier Journalisten.
Die Türkei versucht die Entwicklungen, die Europa in einem halben Jahrtausend durchlaufen hat, in einigen Jahrzehnten zu schaffen. Dadurch, dass dies in einem sehr hohen Tempo vor sich geht, stößt man immer wieder auf Schwierigkeiten und ernsthafte Reibereien. Das alte Establishment versucht mit aller Macht gegen diese Reformen vorzugehen. Mit allen Mitteln.
In diesem Zusammenhang entstand das Ergenekon-Netzwerk, welches nach der heutigen Beweislage als eine Terrororganisation bezeichnet werden kann. Es hat sich zum Ziel gesetzt, die AKP-Regierung zu stürzen. Der deutsche Botschafter in Ankara, Dr. Eckart Cuntz, teilte den Deutsch Türkischen Nachrichten bei einem Interview mit, dass die Türkei sich in einem Umbruch befinde, in der sich auch die traditionelle Rolle des Militärs verändere. In diesem Zusammenhang betonte er, dass er das Ergenekon-Verfahren als eine Möglichkeit sehe, das Vertrauen in die demokratischen Institutionen und die Rechtstaatlichkeit zu stärken.
Das Ergenekon-Netzwerk besteht vor allem aus Militärs, Medienvertretern und Journalisten sowie Bürokraten, die Putsche gegen die demokratisch gewählte AKP-Regierung geplant hatten. Verschiedene Chaos-Szenarien wurden in der Gesellschaft verbreitet und es wurde versucht, eine innenpolitische Destabilisierung herbeizuführen, um so die AKP-Regierung zu stürzen. Die Ermittlungen im Rahmen dieses Prozesses führten zuletzt zur Verhaftung der Journalisten Ahmet Sik und Nedim Sener. Ahmet Sik wird vorgeworfen, in das Ergenekon-Netzwerk involviert zu sein. Er hatte zuvor ein Manuskript für ein Buch abgeschlossen, in dem er behauptet, die Gülen-Bewegung würde die türkische Polizei unterwandern. Dieses Buch mit dem Namen „Die Armee des Imam” sei der Grund für die Verhaftung. Weder Polizei noch Justiz bestätigen dies. Die Sonderstaatsanwaltschaft sucht mittlerweile fieberhaft nach Kopien des noch unveröffentlichten Buches. In der vergangenen Woche stürmten Polizisten den Sitz des Verlages der Radikal-Zeitung. Aufgrund dessen wurde in der Öffentlichkeit spekuliert, der türkische Gelehrte Fethullah Gülen würde hinter den Verhaftungen stecken.
In einer Mitteilung durch seinen Anwalt bestritt dies Gülen: “Ich bin niemals gegen ein Buch vorgegangen. Ich habe nur meine Rechte innerhalb der Grenzen des Gesetzes verteidigt, in dem ich gerichtlich gegen Verleumdungen vorgegangen bin.” Gülen erklärte weiter: “Im Zeitalter moderner Medien und des Internets ist es offensichtlich, dass es unmöglich ist, die Veröffentlichung eines Buches zu verhindern. Es ist außerdem klar, dass ein derartiger Versuch noch mehr Interesse an dem Buch weckt.” Gülen unterstrich ferner, dass er auch dieses Mal nichts gegen den Autor des Buches unternehmen werde. Das Thema gehöre vollständig der türkischen Justiz – sie solle darüber urteilen. Die Presse- und Meinungsfreiheit sei der wichtigste Pfeiler einer funktionierenden Demokratie.
Armee, Justiz und Bürokratie können der Veränderung in der Bevölkerung nicht mehr ausweichen und müssen sich ändern. Auch wenn es so scheint, dass der ideologische Kampf noch lange dauern wird, scheint einer neuen demokratischeren Türkei nichts im Wege zu stehen. Auch die deutschen Medien sollten diese Entwicklungen begreifen. Denn auch wenn es durch Ergenekon zu einem Putsch gekommen wäre, glaube ich nicht, dass irgendjemand in Deutschland eine putschorientierte Armee und ihre Regierung unterstützen würde.
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