Handeln Und Denken

Die Strategie aller Bemühungen, die rechtschaffene Menschen, denen Gott die Zukunft der Welt versprochen hat, verfolgen, lässt sich kurz in zwei Worte fassen: Denken und Handeln. Der Weg sowohl zur wahren Existenz als auch zu individueller und kollektiver Erneuerung führt in der Tat über Denken und Handeln. Alle Lebewesen sind gewissermaßen Produkte bestimmter Wissenszweige und Bewegungen, von denen auch ihr Fortbestehen abhängt. Das Handeln sollte das unentbehrlichste Element oder Charakteristikum unseres Lebens sein. Selbst um den Preis hoher Verluste sollten wir immer dann, wenn es nötig ist, Verantwortung übernehmen und unser Denken und Handeln so einsetzen, dass wir dieser Verantwortung gerecht werden. Wenn wir nicht in der Lage sind, unser Handeln in die Richtung unserer essenziellen Glaubensinhalte und Konzepte zu lenken, werden wir uns unweigerlich von anderen beeinflussen lassen. Dann werden uns ihr Handeln und ihre Vorstellungen entwurzeln, bis wir ihren Aktivitäten schließlich völlig ausgeliefert sind.

Wenn wir mit Trägheit und nutzlosem Pessimismus auf die Geschehnisse, mit denen wir konfrontiert werden, reagieren, erklären wir uns quasi bereit, wie Eis, das in heißes Wasser geworfen wird, zu schmelzen. Unsere Billigung dieser Geschehnisse öffnet einer Zersetzung jener miteinander verbundenen Elemente, die unser Wesen ausmachen, Tür und Tor. Mit unserer Billigung unterwerfen wir uns passiv irgendeiner Form, die unserer ursprünglichen Identität fremd oder sogar entgegengesetzt ist. Wer nach der Kompetenz verlangt, sich selbst treu zu bleiben, sollte diese Kompetenz mit ganzem Herzen und all seiner Kraft suchen und sich darum bemühen, sie in seinem Alltag unter Beweis zu stellen. Das Leben und das Fortbestehen des Lebens beruhen auf einer inneren Spannung und Verbundenheit, die (sofern sie echt sind) nie schwinden wird; sie erfordert Widerstandsfähigkeit, Kraft und ein angemessenes intellektuelles und spirituelles Rüstzeug.

Wir sollten wissen, wie wir uns selbst treu bleiben, und dies dann auch durchhalten. Keinesfalls aber sollten wir uns von anderen Menschen absondern. Vielmehr bewahren wir uns unsere eigene elementare Identität gerade dadurch, dass wir auch in der Gemeinschaft im Dschungel aller anderen Wege unserem eigenen Weg folgen. Eine eigene Identität ist mit Sicherheit notwendig; doch es gilt, auch jene Wege finden, die zu einer universellen Integration führen. Eine Absonderung von der Welt würde letztendlich ins Verderben führen. Von der Verwirklichung der Interessen unseres Egos sollten wir uns ebenso fern halten wie von Handlungsweisen, die auf die Befriedigung eigennütziger Ziele gerichtet sind. Ein Mensch, der aufrichtig denkt und handelt, bezieht seine Zufriedenheit aus der Zufriedenheit des gesamten Seins im Diesseits wie auch im Jenseits. Deshalb würde er auch nie auf den Gedanken kommen, seine Aktivitäten auf eine bestimmte Zeit oder auf einen bestimmten Raum zu beschränken. Stattdessen verfolgt er Ziele, die alle Zeiten und den gesamten Raum umfassen. Eine Freude, die auf Zeit, Raum oder auch einen Teil der Schöpfung beschränkt ist, würde er nie als wahre Freude betrachten.

Zu handeln bedeutet in diesem Zusammenhang also, die gesamte Schöpfung in vollkommener Aufrichtigkeit und Entschlossenheit in dem Bewusstsein zu umarmen, eine Reise durch die Korridore der Schöpfung zu einem ewigen Reich zu unternehmen und dabei mit einer Kraft aus jenem unendlichen und ewigen Reich ausgestattet zu sein; es bedeutet darüber hinaus, alle physischen, intellektuellen und spirituellen Fähigkeiten der Aufgabe zu widmen, die Welt dazu anzuleiten, dieselbe Reise zu unternehmen.

Was das Denken betrifft, so stellt es das Handeln in der inneren Welt des Menschen dar. Jedes wirklich systematische Denken ist mit der Suche nach Antworten auf all jene Fragen verknüpft, die sich aus der Existenz des Universums als solchem ergeben. Mit anderen Worten: Wirklich systematisches Denken ist das Ergebnis eines bewussten Verstandes, der sich auf die Gesamtheit der Schöpfung bezieht und mit Hilfe der Sprache in allen Dingen nach der Wahrheit sucht.

Erst das Denken macht den Geist des Menschen mit der Schöpfung vertraut, und dadurch, dass dieser Geist lernt und Erfahrungen macht, wird er immer tiefgründiger. Indem er den Illusionen und den eng gezogenen Grenzen eines Denkens, das ausschließlich mit dem Erwerb des Lebensunterhaltes beschäftigt ist, entflieht, wird er sich der absoluten Wahrheiten bewusst, die niemals in die Irre führen. Das heißt also, dass wahrhaftes Denken gleich bedeutend ist mit einer Läuterung, die darauf abzielt, der eigenen Persönlichkeit Raum für metaphysische Erfahrungen zu schaffen. Die höchste Stufe des Denkens ist das aktive Denken.

Die Grunddynamik unseres von Denken und Handeln bestimmten Lebens bildet unser spirituelles Leben, das sich auf unsere religiösen Werte gründet. So wie sich aus einer dem Licht zugewandten Rosenknospe eine formvollendete Blume entwickelt, betraten wir in der Vergangenheit, als wir uns unserer Religion zugewandt und sie in die Arme geschlossen hatten, die historische und internationale Arena als eine bedeutende Nation. Dadurch, dass wir uns unserer selbst gewahr wurden, konnte sich unser Potenzial entfalten, was uns wiederum über Jahrhunderte hinweg unsere Existenz sicherte. So wie nun also unser Sein und das Gewahr-Werden unserer Identität an die Hinwendung zur Religion und ihren Werten gebunden sind, erfordert auch unsere Integration in die gesamte Schöpfung die Verwirklichung dessen, was in der Vergangenheit bereits verwirklicht wurde. Jede Handlung eines Gläubigen ist ein Gebet, jeder Gedanke Selbstdisziplin und jede Äußerung ein Flehen, das den Grad seines Wissens um Gott zum Ausdruck bringt; jede seiner Beobachtungen ist ein Forschungsprojekt, und jede Beziehung zu anderen ein Fundament für Liebe und Mitgefühl. Ein so großes Maß an Spiritualität und eine so außerordentliche Qualität dieser Spiritualität erfordern sowohl Intuition als auch Logik, sowohl Rationalität als auch Erkenntnis und darüber hinaus die Fähigkeit, sich den Inspirationen Gottes zu öffnen.

Mit anderen Worten: Solange die Erfahrung nicht durch den Verstand geschult wurde, solange der Verstand die Autorität der Rechtleitung durch Gott nicht akzeptiert, solange Logik und Liebe nicht identisch sind und solange die herkömmliche Liebe nicht in Liebe zu Gott verwandelt wird, fällt es uns schwer wahrzunehmen. Sobald ein so großes Maß an Spiritualität aber einmal verwirklicht worden ist, verwandeln sich die Wissenschaften in der Hand der Inspiration zu einem Lichtstrahl, der überallhin reicht; und die Resultate des Verstandes, der Erfahrung und des erfahrenen Wissen werden zu einem Prisma, das die Bedeutung des Seins reflektiert. Dann hallt alles vom Wissen Gottes, von der Liebe und von den Liedern spiritueller Freuden wider.

Jene, die die glückliche Welt der Zukunft planen, sollten sich darüber im Klaren sein, welche Art von Welt sie errichten und welche Art von Juwelen sie bei ihrem Aufbau verwenden wollen, damit sie später nicht selbst niederreißen müssen, was sie mit den eigenen Händen schufen. Ausgestattet mit rationalem Denken, religiösen Werten und historischer Dynamik sollten sie wissen, wie sie die Prinzipien des Koran, der Sunna und der Urteile, die gewissenhafte Gelehrte aus diesen beiden Quellen abgeleitet haben, mit der Welt, die sie aufzubauen gedenken, in Einklang bringen können. Sie sollten keinesfalls sinnlichen Gelüsten und flüchtigen Hoffnungen verfallen. Sie sollten aufrichtig das Ziel verfolgen, Gottes Wohlgefallen zu erlangen, und sich die Reinheit ihrer Absichten bewahren. Sie sollten ihre religiösen Pflichten nicht vernachlässigen: In ihren Gebeten und ihrem Flehen sollten sie sich der Tatsache bewusst sein, dass sie vor dem Einem stehen, der ihnen näher ist, als sie sich selbst sind. Sie sollten ihre Gebete in dem Bewusstsein verrichten, dass Gebete dem Gläubigen die Möglichkeit geben, eine „Himmelsreise zu unternehmen. Sie sollten Fasten um der Freude willen, sich mit Gott „vereinigen" zu dürfen. Sie sollten ihre Armensteuer mit der Einstellung zahlen, dass sie die ihnen vorübergehend anvertrauten Güter ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgeben. Und sie sollten die Pilgerfahrt in dem Bewusstsein durchführen, eine internationale Versammlung zu besuchen, auf der die Probleme der Muslime aus aller Welt offen dargestellt und erörtert werden - eine internationale Konferenz, die an einem Ort stattfindet, an dem der Geist den Glanz und die Ehrfurcht der höheren Sphären des Seins schauen und erfahren kann.

Die Verwirklichung dieser hehren Ziele hängt jedoch davon ab, dass Führungspersönlichkeiten vorhanden sind, die sowohl in der Lage sind, unser äußeres und inneres Leid zu diagnostizieren, als auch selbst in ständiger Verbindung mit den höheren Welten stehen. Solche Führungspersönlichkeiten, die all die wahrhaften Zivilisationen errichtet haben, hat es immer gegeben und wird es auch immer geben. Mit der Erlaubnis und Unterstützung Gottes werden sie allen Bewegungen, denen an einer Wiederbelebung gelegen ist, Erfolg schenken. Diese Führungspersönlichkeiten, die die Anforderungen der Zeit und der Umstände genau kennen, werden mit ihrer Gedankenwelt, die das materielle, spirituelle, physische, metaphysische, philosophische und gnostische Wissen umfasst, neue Lehren entwickeln, die auf Koran und Sunna basieren. Sie werden regionale Eigenheiten in die universelle Aussage des Islam integrieren, der Kunst einen neuen Geist einhauchen und ihr eine neue Bedeutung verleihen und außerdem Modernes mit Traditionellem verbinden. Auf diese Weise werden sämtliche Institutionen des Lebens umfassend erneuert werden, und den kommenden Generationen werden Wissen, Talente und tiefe Spiritualität zur Verfügung stehen. Straßen werden zu Schulkorridoren und Gefängnisse (wenn es denn überhaupt welche gibt) zu Lehranstalten werden. Häuser werden in Paläste des Paradieses umgewandelt werden. Die Wissenschaften werden Hand in Hand mit der Religion florieren, und Verstand und Glaube werden gemeinsam frische Früchte ihrer Zusammenarbeit hervorbringen. Kurz gesagt: Die Zukunft wird eine neue Welt erleben, die im Schoße der Hoffnung, des Glaubens und der Entschlossenheit aufgebaut wird - eine Welt, die zufriedener und blühender sein wird als die Utopias, von denen im Westen geträumt wird.

Niemand sollte behaupten, dass wir von einer solchen Welt noch weit entfernt seien. Wer weiß das schon? Vielleicht stehen wir bereits unmittelbar an der Schwelle zu ihr. In naher Zukunft wird die gesamte Menschheit sehen, welche neuen „Sonnen" aus dem „Schoß" der Nacht geboren werden, bevor der Tag anbricht."