Gülen-Schulen als Antithese zu unterdrückerischer Erziehung
Weit über die Grenzen der islamischen Community hinaus finden Menschen Gefallen am Bildungsansatz der Gülen Bewegung. Dozent Michael Samuel wurde durch einen katholischen Priester mit der Hizmet-Bewegung vertraut gemacht.
Die Gülen Bewegung, eine religionsbasierte soziale Bewegung mit Millionen von Anhängern in der Türkei und in aller Welt, fordert zunehmend die wettbewerbsorientierte Philosophie heraus, die darauf basiere, andere ins Abseits zu drängen und zu übertreffen, und zeige neue Wege von Kooperation und Zusammenarbeit auf. Zu diesem Urteil kommt Michael Samuel, der Leiter der Fakultät für Bildung an der Kwa-Zulu Natal Universität in Durban, der gleichzeitig als Erzieher mit guten Kenntnissen über die von der Gülen-Bewegung gegründeten Schulen tätig ist.
Samuel, der kürzlich seinen Hintergrund und seine Erfahrungen mit den Lesern der „Sunday’s Zaman“ teilte, erzählte, er stamme aus einer Familie von Lehrern und Erziehern. „Fünf Generationen in meiner Familie hatten mit Erziehung zu tun. Ich sage: „Bildung und Erziehung liegen uns im Blut“ – und deshalb konnte ich nicht anders, als mich dafür zu entscheiden, Lehrer zu werden.
Samuel lernte die Arbeiten von Fethullah Gülen zuerst durch einen katholischen Priester kennen, der unter dem Namen „Vater Mickelson“ bekannt war. „Schon in meinen Teenagerjahren war ich von seinen Führungsqualitäten begeistert. Jahre später, nachdem ich mich in stetiger Kommunikation mit ihm befunden hatte, lud mich Vater Mickelson zu einem jener Iftar-Essen ein, die vom Turquoise Harmony Institut in Durban veranstaltet werden. Ich erfuhr immer mehr über die Gülen Bewegung, auch dadurch, dass ich im Kontakt mit der Star Colleague Schule in Durban stand. Der Höhepunkt des Ganzen war meine Reise zu einem Kulturaustauschprogramm in die Türkei. Als Akademiker interessierte es mich, wie die Ideen dieser Bewegung in einem Bildungssystem umgesetzt würden. Daher hatte unsere Kulturreise vor allem das Kennenlernen des Schulsystems zum Ziel. In dieser Zeit stellten unsere Reiseführer mir einige Literatur über Fethullah Gülen vor, welche ich mit nach Hause brachte und zu lesen begann. Diese Beziehung wuchs, als wir die Literatur zu diskutieren begannen. Und so kam es auch, dass ich zum ersten Mal mit Fethullah Gülen vertraut gemacht wurde.“
Großzügigkeit und Gastfreundschaft auch im Geiste
Er sagte, was ihn besonders bei den Anhängern der Gülen-Bewegung überraschte, war „ihre Großzügigkeit, und insbesondere die Großzügigkeit ihres Geistes, die ich als wirklich exemplarisch empfand.“ Er sagte, seine Erfahrungen im Umgang mit den Menschen, die diese Bewegung repräsentierten, zeigten ihm, dass die Anhänger große Aufmerksamkeit auf das richten, was andere Menschen wirklich darüber wissen wollen.
Er fuhr fort: „Das andere ist die Großzügigkeit hinsichtlich der Zeit, die Art, wie die Menschen ihre Zeit und ihre generelle Aufmerksamkeit dem Dienst widmen, die mich besonders beeindrucken als etwas, wovon wir im Rahmen des südafrikanischen Bildungssystems viel lernen können. Während meines Dialogs mit ihnen beeindruckte mich außerdem ihre Gastfreundschaft – wiederum nicht nur, was ihre Abendessen und Veranstaltungen betrifft, sondern die Gastfreundlichkeit in ihrer Wesensart. Hinzu kommt noch diese Offenheit für Ideen und Diskussionen.“
Aber was für mich am meisten hervorsticht, ist meine Erfahrung mit den Nachwuchslehrern und Lehrern in Ausbildung, die aus der Türkei nach Südafrika kamen und begannen, mich mit einem Blick auf das zu beeinflussen, was sie im Südafrikanischen Bildungssystem als ungewohnt und fremd empfanden. Meine Interaktion mit ihnen weckte bei mir das Interesse für ihr Denken und was ihr Denken über unser Bildungssystem prägte. Dies erweckte meinen diesbezüglichen Forscherdrang und in weiterer Folge lernte ich mehr über die Gülen-Bewegung, deren Bildung und Erziehung. Danach begann ich, türkische Lehrer am Star College im Rahmen des zweiten Teils meiner Forschung zu befragen. Nachdem ich mein auf diese Weise gewonnenes Wissen in Bildungs-und Akademikerkreisen auf Seminaren und auf Konferenzen geteilt hatte, entfachte es die Diskussion zwischen einem philosophischen Zugang zur Bildung und dem bisher gewohnten traditionellen Ansatz. Meine Interaktion mit den türkischen Studenten und Lehrern und das Lesen der Werke Gülens ließen mich fragen, ob es nicht Sinn machen würde, sich umfassend um die Schüler und Studenten zu kümmern, statt sich alleine auf die akademischen Ergebnisse im Rahmen des Bildungssystems zu konzentrieren.“
„Lasst uns gemeinsam wachsen“
Er sagte, die Gülen Bewegung, auch bekannt als Hizmet-Bewegung, leiste einen wesentlichen Beitrag für eine weiter gefasste Weltsicht in einer Zeit, in der globale Politik zunehmend dazu übergeht, Menschen nur anzutreiben. „Alle versuchen einander entweder auszustechen oder zumindest ins Abseits zu drängen. Aber was die Hizmet-Bewegung sagt, ist: „Lasst uns alle gemeinsam wachsen. Wir alle haben Potenzial, wir alle haben Ressourcen, wir alle haben Verpflichtungen, die Welt besser zu machen. Und wenn wir in unserem Bildungssystem weiterhin diesen Prozess, nämlich das bloße Konkurrenzdenken und die Philosophie des Vorwärtskommens stärken, werden wir weiterhin die gleichen Probleme haben, denen wir derzeit ausgesetzt sind, ob auf lokaler, nationaler, regionaler oder internationaler Ebene. Auch wenn wir die persönlichen Beziehungen berücksichtigen, wenn Sie versuchen jemand anderen zu übertreffen oder zu unterwerfen, dann werden Sie in einem Angst machenden, unterdrückerischen Bildungssystem enden – und dadurch erziehen Sie auch Individuen, religiöse Gruppen, Familien und Nationen dazu, unterdrückerisch zu werden, und das ist dann das Problem. Die Hizmet-Philosophie fordert uns aus meiner Sicht heraus, nach Möglichkeiten der Kooperation statt der Unterdrückung zu suchen, und das ist die Herausforderung unserer heutigen Welt“, erklärte er.
Samuel sagte, er glaube dass Bildung eine zentrale Rolle innerhalb der Gülen Bewegung spiele, denn: „In der Bildung geht es um Dienst, und wenn du einmal einen Bildungsstand erworben hast, übernimmst du die Verantwortung dafür, andere beim Wachsen zu unterstützen.“
Er teilte auch seine Meinung über die Gülen-Schulen in Südafrika mit. „Unsere Gesellschaft wird in sehr hohem Maße von schwachen Leistungen in Mathematik, Naturwissenschaften und Technologie heimgesucht. Die Hizmet-Schulen in Südafrika geraten schnell ins Rampenlicht, weil sie in der Lage sind, qualitativ gute Ergebnisse in Mathematik und Wissenschaft zu erzielen. Auf diese Weise gewinnen sie die Aufmerksamkeit der Regierungsbeamten, die sich fragen, was es denn diesen Schulen möglich macht, diese Art von Ergebnissen zu erzielen, während dies anderen nicht gelingt. Wir müssen jedoch verstehen, dass die Hizmet-Bewegung nicht allein gute Mathematiknoten oder Wissenschaftsergebnisse zu erreichen anstrebt, sondern ein völlig anderes Beziehungskonzept zwischen den Lehrern, Schülern und Eltern im Sinn hat - und wie man sie alle einander näher bringen kann.
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