Werden wir eines Tages wirklich keine Religion mehr benötigen?

Man sagt, die Religion sei ein vom Menschen ersonnenes Konstrukt, mit dem er Probleme, die er nicht zu lösen vermag, verdrängen kann - Probleme, die aber durch weitere Fortschritte des Zivilisationsprozesses eines Tages gelöst werden könnten. Werden wir eines Tages wirklich keine Religion mehr benötigen?
Die Gegner einer religiösen Lebensgestaltung behaupten, die Religion sei auf Grund der Tatsache entwickelt worden, dass der Mensch sich der Welt gegenüber machtlos fühlt und Erleichterung und Dankbarkeit empfindet, wenn er von seiner Machtlosigkeit befreit wird. Hier ein kurzer Überblick über die Hauptargumente der Anhänger einer solchen Sichtweise:

Bestimmte natürliche Phänomene übersteigen das Auffassungsvermögen des Menschen und entziehen sich seiner Kontrolle. Deshalb schreibt er sie einem Schöpfer zu. Der Mensch umgibt manche Naturereignisse mit einer Aura des Heiligen, weil er von ihnen auf eine Weise profitiert, die ihm rätselhaft bleibt; in manchen Fällen geht er sogar so weit, solche Phänomene in den Rang von Göttern zu erheben. So hielten die Inder den Ganges, die Ägypter den Nil und beide Völker - aus unterschiedlichen Gründen - die Kuh für heilig. Der Mensch ist mit einer erschreckenden Unsicherheit in der Welt konfrontiert. Darum strebt er danach, sich abzusichern, indem er all das verehrt und entschärft, was ihm eine Quelle von Sicherheit oder Unsicherheit zu sein scheint. In manchen Kulturen finden wir eine Zweiteilung der Sphäre des Heiligen: Eine Gottheit steht für das Gute, die andere für das Böse. Das hat dazu geführt, dass der einen Liebe und Barmherzigkeit und der anderen Terror und Strafe zugeschrieben wurden. Ähnlich wird auch das Konzept von Himmel und Hölle ,begründet'. Man kommt zu dem Schluss, dass die Religion eine beruhigende Illusion für die Mittelschicht einer Gesellschaft darstellt. Für die Schicht der Mächtigen und insbesondere für die religiöse Führung ist sie ein Mittel zur Manipulation der Massen - kurz: ,Opium für das Volk'.

Hat diese Argumentation irgendeine solide Grundlage? Nein, die hat sie nicht. Religion ist keineswegs das Produkt der Hilflosigkeit des Verstandes und entspringt auch nicht irgendeiner Willensschwäche (Furcht):

Das Bedeutungsfeld des Wortes din (Religion) umfasst Gehorsam, Belohnung und einen Weg bzw. einen Pfad. Diese Inhalte sind miteinander verknüpft. Der Pfad ist der Weg, der über den Gehorsam zu Gott, dem Allmächtigen, führt. Am Ende seines Lebens wird der Mensch volle Rechenschaft über all seine guten und schlechten Taten, über alles, was er auf seinem Weg geleistet hat, ablegen müssen. Etwas formaler könnte man din als ,die Gesamtheit des Göttlichen Gesetzes, das jeden, der im Besitz geistiger Kräfte ist, dahin führt, Gutes zu tun' definieren. So wie das Gesetz zwischen einer vor dem Gesetz haftbaren Person und einer Person, die vor dem Gesetz nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann, unterscheidet, so sind die Ansprüche an ein religiöses Leben ausschließlich an diejenigen gerichtet, die vernunftbegabt sind. Die Religion existiert nicht deshalb, weil der Mensch nicht logisch denken oder weil er gewisse Dinge nicht verstehen kann. Die Religion gibt es vielmehr, weil er erst mit der Hilfe Gottes denken und verstehen kann. Indem der Mensch seinen freien Willen einsetzt, gehorcht er Gott oder er gehorcht Ihm nicht. Zwar wird Gehorsam vom Menschen verlangt, er wird ihm jedoch nicht aufgezwungen. Der Gedanke, Religion gebe es nur deshalb, weil der Mensch den Wunsch hat, eine gute Ernte einzubringen und eine schlechte zu vermeiden, oder anders ausgedrückt, weil er keine Kontrolle und keine Macht über seine Angelegenheiten hat, ist völlig absurd. Eine wahrhafte Religion negiert den freien Willen nicht. Im Gegenteil, sie weist ganz besonders darauf hin, dass die Schöpfung nicht ins Leben gerufen wurde, um dem Menschen etwas aufzuzwingen, sondern um ihm Nutzen zu bringen und sein Potenzial zu erweitern; eine wahrhafte Religion unterstreicht, dass dem Menschen die Möglichkeit gegeben wurde, seinen Weg zu wählen, indem er von seiner Freiheit Gebrauch macht.

Es wird behauptet, Religion resultiere aus einer unsachgemäßen Nutzung des Verstandes, in Wirklichkeit aber ist der Glaube die Grundlage der Religion. Obwohl es möglich ist, über die menschliche Logik auf die Existenz des Schöpfers des Universums zu schließen, bleibt eine solche Beweisführung sicherlich angreifbar und fragwürdig. Nur die Unterweisung durch einen Propheten ermöglicht einen tadellosen Glauben an Gott. Jedem Propheten wurden bestimmte Zeichen verliehen, die seine Berufung durch Gott bestätigen. Die bedeutendsten Beweise für die Berufung eines Propheten sind neben den von ihm bewirkten Wundern die ihm von Gott offenbarten Schriften. Ob ein Mensch nun zur gleichen Zeit wie der Prophet lebt oder erst lange nach dessen Tod - er ist aufgefordert, der Offenbarungsschrift und dem Propheten in seinem Glauben und seinen Handlungen zu folgen.

Die Macht, die ein Prophet gegenüber seinen Anhängern ausübt, ist also keine gewöhnliche, weltliche Macht. Alle Propheten haben außerordentliche Entbehrungen und Leiden auf sich nehmen müssen und dennoch keine Gegenleistung verlangt. Sie haben von dieser Welt nichts erwartet, obwohl sie jedes weltliche Gut hätten fordern können, wenn sie (auf eindringliche Bitten hin) sich darauf eingelassen hätten, ihre Mission zu beenden. Unser Prophet erlebte auf seiner wunderbaren Reise in die Gegenwart Gottes die Schönheiten und spirituellen Freuden des Himmels. Trotzdem entschied er sich, zu seinen Leuten zurückzukehren, zurückzukehren zu Schmerz, Verachtung und Spott. Er war kein Mensch der Freuden, weder der des Körpers noch der des Geistes, sondern jemand, der sein Leben Gott zuliebe dem Dienst der Menschheit gewidmet hat.

Man könnte sich nun die Frage stellen, ob ein Mensch nicht direkten Zugang zu seinem Herrn haben und so eine religiöse Offenbarung direkt von Gott erhalten kann. Das wäre durchaus vorstellbar, solange diese Person eine vollkommen reine Seele besäße, was aber nicht möglich ist. Daher hat Gott bestimmte Männer auserwählt, sie spirituell gereinigt und zu Propheten berufen: Allah erwählt aus den Engeln Gesandte und aus den Menschen... (22:75) Gott hat Dschibril (Gabriel) auserwählt, um Seinen Gesandten Seine Botschaft zu übermitteln. Die Propheten aus den Reihen der Menschen aber beauftragte er damit, den din zu lehren. Es handelte sich bei ihnen um Männer mit einem reinen Charakter, deren Gefährten ebenfalls bemerkenswerte Menschen waren; denn sie trugen die Verantwortung dafür , die Religion an folgende Generationen weiterzugeben.

Wenn das Argument, Religion diene der Menschheit als Hilfsmittel, um mit problematischen Ereignissen oder prekären Naturphänomenen fertig zu werden, irgendeine Grundlage hätte, müssten wir davon ausgehen, dass Religion etwas ist, auf das man sich immer dann beruft, wenn man es nötig hat. Wir müssten dann annehmen, dass nur zu bestimmten Anlässen ein Bedarf nach Religion bestände; dass, sobald sich die Situation entspannt hat, erst dann wieder religiöse Vorkehrungen bzw. Reaktionen gebraucht würden, wenn die Zeit dieselbe oder eine ähnliche Notlage noch einmal herbeiführt. Die wahre Religion aber, der din des Islam, befasst sich nicht nur mit Zeremonien anlässlich Geburt, Tod oder Heirat eines Menschen oder mit anderen Riten zur Bewältigung von Höhepunkten des individuellen oder öffentlichen Lebens. Der din beschäftigt sich mit der Lenkung des gesamten Lebens des Menschen als verantwortliches Geschöpf Gottes, sowohl was sein Inneres betrifft als auch in Bezug auf die äußeren Formen seines Daseins. Der din regelt und unterstützt den ganzen Ablauf des täglichen Lebens auch dort, wo der Mensch unter ständiger verlässlicher Aufsicht durch Gott steht. Mehrmals am Tag ertönt der Gebetsruf, und immer richtet er sich an die ganze Gemeinschaft, nicht nur an eine bestimmte Gesellschaftsschicht. Das religiöse Leben ist keine Antwort auf Ellipsen, Blitz und Donner oder andere Naturereignisse; es ist das von den Propheten gestiftete Instrument, durch das sich der Mensch seinen Glauben verdient und sich in die Lage versetzt, stets das Gute zu wählen.

Die Kraft und die Beständigkeit des Glaubens sind an die Anbetung Gottes und an gute Taten gebunden. Ein Muslim, der seine religiösen Pflichten vernachlässigt, wird schließlich kaum mehr tun, als gut über seine Vorfahren zu reden, die ein diszipliniertes, religiöses Leben führten - d.h., er wird die Tugendhaftigkeit anderer zu schätzen wissen, es wird ihm aber nicht gelingen, ihrem Vorbild zu folgen. Ein Glaube, der nicht durch Anbetung und gute Taten genährt wird, wird früher oder später aller Voraussicht nach dahinschwinden.

Fünfmal am Tag zu beten stärkt unseren Glauben und erneuert unseren Bund mit Gott. Solange wir jeden Akt der Anbetung aufmerksam und mit bewusster Absicht vollziehen, werden wir von Gott ein Gefühl der Sicherheit, eine Stärkung unseres Willens und die Fähigkeit, unseren Verpflichtungen in anderen Lebensbereichen nachzukommen, empfangen.

Der din beinhaltet bestimmte Regeln und Normen zur Organisation unseres täglichen Lebens. Ein gläubiger Mensch ist dazu aufgerufen, sowohl durch sein Verhalten gegenüber seinen Mitmenschen als auch durch vorgeschriebene und freiwillige Gebete das Wohlwollen Gottes anzustreben. Seine ökonomischen Aktivitäten zum Beispiel müssen im Einklang mit dem Gesetz Gottes stehen, das - wie wir hier anmerken wollen - ein weiteres Element des din ist, welches den Glauben stärkt. Dadurch, dass der Gläubige dieses Gesetz anerkennt, unterwirft er sein Handeln den Geboten Gottes und geht über seine eigenen weltlichen Anliegen hinaus. Wer beispielsweise etwas verkauft, muss den Käufer auf fehlerhafte Ware hinweisen. Sein Gewinn mag dadurch erheblich geringer ausfallen oder sogar gegen Null tendieren, dafür wird er aber die Genugtuung erfahren, seinem Herrn gehorcht zu haben und nicht der Sklave eigener Begierden geworden zu sein. Wenn er im Gebet vor seinem Herrn steht, wird sich diese Genugtuung in einer Stärkung seines Glaubens und seiner Bindung zu Gott niederschlagen.

Ein solcher Gehorsam bietet dem Gläubigen praktische Hilfen, um in die Gegenwart Gottes zu gelangen. Dies muss das Ziel der Gläubigen sein, das ihm auch vom Gesandten Gottes aufgetragen wurde. Wenn er uns von den drei Männern erzählt, die in einer Höhle eingeschlossen waren, deren Eingang von einem von der Flut angeschwemmten großen Felsblock versperrt war, dann lehrt er uns, dass jeder der drei Männer Gott eine gute Tat widmete, damit Er sie aus der Höhle befreie. Zwar wird es uns, auch wenn wir es uns noch so sehr wünschen, niemals gelingen, dem Gesandten physisch gleich zu sein; aber wir sollten versuchen, ihm in der Lebensweise nachzueifern. Das wird uns einen Pfand in die Hand geben, den wir Gott zur Errettung vor den Qualen der Hölle anbieten können.

Man sollte dabei nicht vergessen, dass Tugendhaftigkeit auch in der Vermeidung von Sünden liegt: Wir sollten uns von dem fern halten, was Gott verboten hat - so wie wir von Geschäften Abstand nehmen, in denen Zinsen anfallen und die auf den ersten Blick durchaus vorteilhaft für uns zu sein scheinen.

Das Streben nach Tugendhaftigkeit, ob durch Befolgen oder durch Vermeidung, die Praxis des Gebets und des Gedenkens sowie das Bemühen, Gesetz, Gerechtigkeit und die in ihnen vorgesehenen Strafen an der Lehre Gottes und Seines Gesandten zu orientieren - all diese Handlungsweisen sind grundlegende Elemente der Einheit des religiösen Lebens. In dieser Einheit steht alles zueinander in Beziehung. Einzelkomponenten haben keine Bedeutung und können ebenso wenig vom Ganzen getrennt werden, wie man die vitalen Elemente eines Baumes voneinander trennen könnte. So wie Wasser, Licht und Wärme, Samen, Wurzeln, Zweige, Blätter, Blüten, Früchte und der Gärtner, der den Baum pflegt, für diesen lebenswichtig sind, sind auch Glaube, Anbetung, das Gedenken Gottes, das Vorbild des Propheten und das Göttliche Gesetz vitale und wesentliche Elemente des din.

Gott hat den Menschen als Seinen Stellvertreter und Seinen Verwalter auf Erden erschaffen. Gott, den wir anbeten, ist Selbst absolut, transzendent und unabhängig von allen Dingen. Er bedarf unserer Anbetung nicht. Tatsächlich ist es so, dass wir darauf angewiesen sind, Ihn anzubeten. Dass wir dies tun, geschieht durch Seinen Willen - wir würden auch gar nicht in der Lage sein, dies von uns aus zu bewerkstelligen; die Initiative geht von Gott aus. Gott möchte, dass wir im Einklang mit den Geboten des Koran danach streben, ein ausgeglichenes Leben zu führen. Er hat uns einen klaren und geraden Weg gewiesen, damit wir nicht auf Abwege geraten müssen. Wenn der Mensch dem Koran und diesem geraden Weg folgt, kann er sein ganzes Potenzial (sowohl als Mitglied der Gesellschaft als auch als Individuum) ausschöpfen und zu wahrer Menschlichkeit gelangen.

Wir bedürfen der Religion. Wenn wir nur erkennen würden, was wir wirklich brauchen, wären wir wohl in der Lage, das dem Menschen angeborene Streben zum ewigen Glück direkt wahrzunehmen. Dann könnten wir dieses angeborene Streben kultivieren und unsere wahren Bedürfnisse und Wünsche auf unterschiedliche Art und Weise zum Ausdruck bringen: „O Gott, zeige uns einen Weg, den du gutheißt, auf dass wir vor allen erdenklichen Abweichungen gefeit sind.

Sicherlich ist es wahr, dass selbst die weisesten Philosophen vom Wege abgekommen sind, während die meisten einfachen Muslime ein rechtschaffenes Leben führen konnten, weil sie nämlich dem klaren Weg des Propheten Muhammad, Friede sei mit ihm, folgten. Tatsächlich kann jeder Muslim ein sehr fruchtbares Leben als aufgeschlossenes und verantwortungsbewusstes Geschöpf Gottes im Einklang mit seinem innersten Wesen führen, wenn er sich nur die Anerkennung Gottes zum Ziel setzt und den Propheten zu seinem Vorbild erwählt.

Die Religion wurde nicht von bestimmten Menschen formuliert, um andere zu manipulieren; sie ist auch nicht von der Menschheit als Ganzer als ein Weg definiert worden, sich mit der natürlichen Umwelt zu arrangieren: Gott hat die Religion dem Menschen als einen Teil Seiner Barmherzigkeit offenbart, weil der Mensch sie dringend benötigt und ohne ihre Unterweisung kein wahrer Mensch sein kann. Nur ein Mensch, der die Prüfungen religiöser Erfahrungen absolviert hat, kann des ewigen Glücks würdig sein. Der Mensch wird sich im Jenseits nur dadurch wirklich auszeichnen können, dass er dem klaren Weg der Religion gefolgt ist. Der Gesandte Gottes sagte: So wie man sein Pferd in einer Herde an der Blesse am Kopf erkennen kann, so werde ich im Jenseits meine Gemeinde am Leuchten der Körperteile, die beim wudu (Gebetswaschung) gewaschen wurden, erkennen.[1]

Die von Gott durch Seine Propheten offenbarte reine Religion besteht aus Grundlagen und Verästelungen. Die wesentlichen Grundlagen sind bei allen von Gott offenbarten Religionen von der Zeit des ersten Propheten bis hin zum letzen immer dieselben gewesen. Die von Gott offenbarten Religionen haben sich nur hinsichtlich der Anbetung und der Gebote unterschieden. Gott hat die Menschen verschiedener Epochen unter Berücksichtigung ihrer sozialen Voraussetzungen und Möglichkeiten zu bestimmten Formen der Anbetung verpflichtet.

Der Glaube an die Auferstehung zum Beispiel besitzt in jeder Religion eine zentrale Bedeutung, und jeder Prophet hat diesen Glauben auf die eine oder andere Art und Weise gelehrt. Wenn auf diesen Glauben nicht so ausdrücklich Wert gelegt worden wäre, wäre die Religion zu einem bloßen sozio-ökonomischen oder psychologischen System von Regeln und Normen verkümmert, und besäße keinerlei Kraft, das Innere des Menschen anzuregen, Gutes zu tun und Böses zu unterlassen. Ohne den Glauben an die Auferstehung wäre ein aufrichtig an Gott gerichtetes Gebet nicht möglich gewesen; außerdem wären auch keine aufrichtigen Opfer zu Ehren Gottes gebracht worden: Der Mensch erwirbt sich viele Tugenden, wenn er nur Folgendes berücksichtigt: Wer nun aber auch nur eines Stäubchens Gewicht Gutes tut, wird es sehen; und wer auch nur eines Stäubchens Gewicht Böses tut, wird es sehen. (99:7-8) Indem wir uns bemühen, Seinem Weg ohne Abweichung zu folgen, freuen wir uns auf den Moment, an dem wir unseren Herrn ohne jede Verschleierung sehen werden. Selbst die ganze Spanne des ewigen Lebens im Himmel kann keinesfalls mit diesem Augenblick verglichen werden.

Neben solchen konstanten wesentlichen Grundlagen hat Gott auch Veränderungen Seines Gesetzes offenbart. Im Verlauf der langen Geschichte der Menschheit hat das jeweils neue Gesetz Gottes frühere Offenbarungen modifiziert. Beginnend in der Kindheit der Menschheit, von der Zeit des Propheten Adam bis hin zu ihrer Volljährigkeit zur Zeit des Propheten Muhammad finden wir hier eine Antwort der Barmherzigkeit Gottes auf die Qualen des Menschen.[2] Als letzte und vollkommene Religion Gottes wird der Islam (dessen Offenbarungsschrift und Lehren vor jeder Verfälschung bewahrt wurden) bis zum Tag des Jüngsten Gerichts maßgeblich sein. Aber selbst wenn die früheren Offenbarungsschriften und Gesetze nicht verfälscht worden wären, hätten sie sich ihre Legitimität nicht erhalten können, da ihre Autorität ja durch das Erscheinen des Islam von Gott aufgehoben wurde.

Wir wollen an dieser Stelle abschließend zusammenfassen, dass die Religion kein Glaubenssystem ist, zu dessen Erfindung der Mensch sich gezwungen fühlte, weil er Angst vor Naturereignissen wie Überschwemmungen, Gewittern und ähnlichen hatte. Die Religion ist auch kein menschliches Konstrukt in Form von Regeln und Normen, das von einigen Wenigen erarbeitet wurde, um die sozialen und ökonomischen Angelegenheiten aller Menschen zu regeln. Wahre Religion ist in der Tat weit von allem entfernt, was sich der Geist eines Menschen hätte ausdenken können. Religion ist vielmehr die Sammlung derjenigen Offenbarungen und Gesetze Gottes, die den Menschen in die Lage versetzen, Glück in dieser und in der nächsten Welt zu erfahren.

Der Friede und das Glück des Menschen sind an ein religiös geprägtes Leben gebunden. Nur durch die Religion kann das Gesetz Gottes im inneren und äußeren Wesen der menschlichen Existenz befolgt werden. Nur durch sie kann der Mensch einen Zustand erreichen, mit dem er sich das Paradies und den Anblick Gottes verdient. Einer ausschließlich auf dem Menschen gründenden Kultur wird es - wie weit sie sich auch immer entwickeln mag - niemals möglich sein, dem Menschen Glück auf Erden zu bescheren, geschweige denn die Religion zu ersetzen.



[1] Bukhari, Wudu 3; Muslim, Tahara 34,35. Musnad 2, 334, 362, 400, 523
[2] Musannaf 11, 428"
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