Das manifeste Protokoll und das manifeste Buch
‚Manifestes Buch' ist ein anderer ‚Titel' für den Willen Gottes und für die Gesetze, die für die Schöpfung und den Unterhalt des Universums verantwortlich sind. Wenn wir das manifeste Protokoll als formelle oder theoretische Vorherbestimmung bezeichnen wollen, entspricht das manifeste Buch der tatsächlichen Vorherbestimmung. Die zukünftige ausgewachsene Form einer Pflanze, eines Tieres oder eines Menschen, die den Inhalt des Samenkorns oder der befruchteten Eizelle zur Schau stellt, ist deren tatsächliche Vorherbestimmung.
Kurz: So wie Samenkörner und Pflanzen, befruchtete Eizellen und Lebewesen weisen auch alle anderen Dinge im Universum auf die Vorherbestimmung Gottes hin, welche festlegt, urteilt, Maß gibt, spezifiziert und individuell gestaltet. Träume, die sich als wahr entpuppen, sind weitere unbestreitbare Anhaltspunkte, die die Vorherbestimmung Gottes unterstreichen.
Warum gehört der Glaube an die Vorherbestimmung zu den wesentlichen Punkten des Glaubens?
Weil der Mensch dazu neigt, sich selbst zu betrügen und die Anbetung Gottes zu vernachlässigen, schreibt er sich seine Leistungen und guten Taten oft selbst zu und ist stolz auf sich. Der Koran betont jedoch ausdrücklich, dass Gott uns und unsere Taten hervorbringt. (37:96) Das Mitgefühl Gottes verlangt nach guten Taten, und Seine Allmacht erschafft sie. Jeder, der über sein Leben nachdenkt, wird begreifen und sich eingestehen müssen, dass Gott ihn zu guten Taten veranlasst hat, ihn andererseits von schlechten Taten abgehalten und ihm die notwendigen Fähigkeiten, Hilfsmittel und Macht verliehen hat, um seine Vorstellungen Realität werden zu lassen.
Da Gott die Menschen zu guten Taten anleitet und ihnen eingibt, diese sowohl zu wollen als auch zu verrichten, ist der Wille Gottes der eigentliche Urheber dieser Taten. Der Mensch kann seine guten Taten für sich beanspruchen, indem er glaubt, Gott verehrt und Ihn darum bittet, sie sich zu verdienen. Er muss an die Notwendigkeit glauben, diese Taten zu verrichten, und sich mit dem zufrieden geben, was Gott ihm bestimmt hat. Auf keinen Fall darf er auf Grund seiner guten Taten und Leistungen überheblich sein und sich vor anderen Menschen profilieren wollen. Es ist seine Pflicht, Gott zu danken und Ihm gegenüber demütig zu sein.
Der Mensch neigt oft dazu, sich seine guten Taten und positiven Leistungen zuzuschreiben, während er für seine Sünden und Missetaten die Vorherbestimmung verantwortlich macht. Da Gott jedoch Sünden und Vergehen niemals gutheißt, ist es der Mensch, der diese mit seinem freien Willen begeht. Trotzdem bringt Gott auch diese schlechten Taten genau wie die guten hervor (in dem Sinne, dass er ihnen ermöglicht stattzufinden, oder indem er ihnen eine äußere Existenz verleiht). Denn wenn Gott dies nicht täte, würde Er ja den freien Willen des Menschen, den Er ihm geschenkt hat, außer Kraft setzen. Sünden sind das Resultat der freien Entscheidung des Menschen zu sündigen. Gott ruft den Menschen dazu auf, Gutes zu tun, und inspiriert ihn zu guten Taten. Der Mensch jedoch sündigt durch seinen freien Willen und gehorcht seinem Schöpfer nicht. Der Mensch ist deshalb für seine Sünden und Vergehen selbst verantwortlich. Um sich vor Sünden und den Versuchungen des Satans und seines Böses gebietenden Selbst zu schützen, muss der Mensch versuchen, seine Neigung zu sündigen zu bekämpfen. Er sollte bereuen und um Vergebung bitten. Er sollte sich durch Gebete, Frömmigkeit und den Glauben an Gott dem Guten zuwenden.
Kurz: Der Mensch verfügt über einen freien Willen. Er sollte jedoch seine religiösen Pflichten erfüllen und keine Sünden begehen. Auf keinen Fall darf er Gott für seine eigenen Sünden verantwortlich machen. Die Vorherbestimmung Gottes lässt andererseits aber auch einem übertriebenen Stolz auf gute Taten keinen Spielraum. Der Mensch sollte Gott lieber für diese guten Taten danken. Der Mensch besitzt einen freien Willen, daher kann sich das Selbst nicht von den Konsequenzen seiner Sünden freisprechen, indem es sie einfach auf die Vorherbestimmung schiebt.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass sich der Mensch gern über Schicksalsschläge beschwert. Oft genug verzweifelt er an ihnen und führt dann ein zügelloses Leben; und gelegentlich geht er sogar so weit, dass er sich über Gott beschwert. Nichtsdestotrotz existiert die Vorherbestimmung. Der Mensch sollte sich daher darauf besinnen, dass ihm schlimme Erlebnisse nur deshalb geschickt werden, um ihn zu stärken und zu schützen und ihn so vor Verzweiflung zu bewahren. Da die Vorherbestimmung Gottes den freien Willen des Menschen jedoch nicht ausschließt, ist der Mensch für seine Zukunft und für all das, was er bewusst und vorsätzlich tut, selbst verantwortlich.
Zusammengefasst: Alles, was war und was ist (auch Schicksalsschläge), sollte im Lichte der Vorherbestimmung betrachtet werden. Alles, was noch nicht ist, aber sein wird, muss genauso wie Sünden und Fragen nach einer Verantwortlichkeit dem freien Willen des Menschen zugeschrieben werden. Diese Sicht der Dinge ermöglicht uns auch, die Extreme des Fatalismus (Dschabr) und der Verleugnung der Rolle der Vorherbestimmung für die Taten des Menschen (I'tizal der Mu'tazila) miteinander zu versöhnen.
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