Qalb (Herz) - 2

Der Glaube ist das Lebenselixier des Herzens, Anbetung ist das Blut, das in seinen Adern fließt, und Reflektion, Selbstkontrolle und Selbstkritik sind die Fundamente seiner Beständigkeit. Das Herz eines Ungläubigen ist tot, das Herz eines Gläubigen, der nicht betet, befindet sich in einem Todeskampf und das Herz eines betenden Gläubigen, der nicht reflektiert, ist vielen verschiedenen Gefahren und Krankheiten ausgesetzt.

Obwohl die Menschen der ersten Kategorie eine ,Pumpe' in ihrer Brust tragen, kann man nicht davon sprechen, dass sie wirklich ein Herz haben. Die Menschen der zweiten Kategorie sind in der von Wolken verhangenen, vernebelten Atmosphäre ihrer Mutmaßungen und Zweifel gefangen. Sie befinden sich in greifbarer Nähe zu Gott, ohne jemals ihr Ziel erreichen zu können. Für die Angehörigen der dritten Gruppe von Menschen gilt, dass sie schon gutes Stück Weg zum Ziel zurückgelegt haben, jedoch immer noch gefährdet sind, da sie noch nicht angekommen sind. Auf dem Weg Gottes machen sie zögerliche Fortschritte; Niederlage und Sieg folgen bei ihnen einander auf dem Fuße. Ihr Leben verbringen sie mit dem Versuch, einen ,Hügel' zu erklimmen, ohne aber in der Lage zu sein, diesen auch zu überwinden.

Diejenigen dagegen, die einen starken Glauben besitzen und ihr Leben auch streng nach diesem ausrichten - ganz als ob sie Gott sähen und sich der Tatsache bewusst seien, dass Gott sie sieht - befinden sich in größtmöglicher Sicherheit und stehen unter Gottes Schutz vor Schwankungen und Stürzen. Sie studieren die Existenz mit Einsicht, durchdringen die Dinge, entdecken ihre wahre Realität durch das Licht Gottes, benehmen sich unauffällig und üben sich in Selbstbeherrschung. Zwischen Furcht und Hoffnung schwebend zittern sie aus Angst vor Gott und versuchen, Ihm eine Freude zu bereiten. Sie bemühen sich, alles, was sie tun, zu Seinem Wohlgefallen zu erledigen und immer in Seiner Liebe zu leben. Im Gegenzug liebt Gott sie und bewegt andere gläubige Menschen dazu, sie ebenfalls zu lieben. So werden sie von Menschen und Dschinn gleichermaßen geschätzt und geliebt, und wohin sie auch gehen, erwartet sie ein herzliches Willkommen.

Der aufrichtige Held der Sure Yusuf, Prophet Yusuf (Josef), Friede sei mit ihm, wird in eben dieser Sure fünfmal als ein Mensch von vollkommener Tugend und tiefer Hingabe bezeichnet. Das bedeutet, dass die ganze Schöpfung - Schöpfer wie Erschaffenes, Freund und Feind, Himmel und Erde - die strenge Selbstkontrolle und Selbstbeherrschung des Propheten Josef bezeugt.

Der Allmächtige weist den Menschen darauf hin, dass der Prophet Josef seit seiner Jugend ein Mensch von vollkommener Tugend und Selbstkontrolle war:

Und als er (Josef) zum Mann heranwuchs, verliehen Wir ihm Weisheit und Wissen. Und so belohnen Wir diejenigen, die Gutes tun (jene, die in dem Bewusstsein handeln und beten, dass Gott ihnen immer gewahr ist).[1]

In seiner Zeit im Gefängnis in Ägypten blieb seinen ihm gut oder schlecht gesonnenen Mitgefangenen seine Verstandestiefe und die Reinheit seines Geistes nicht verborgen, und so wandten sie sich an ihn, um ihre Probleme zu lösen:

Verkünde uns die Deutung hiervon. Denn wir sehen, dass Du einer der Rechtschaffenen bist.[2]

Josef, Friede sei mit ihm, war bei allen Anstrengungen, zu denen er gedrängt wurde, erfolgreich und verschaffte sich einen Platz im Herzen von Freund und Feind. Noch ein weiteres Mal spricht Gott von ihm als von einem Menschen mit vollkommener Tugend, denn Josef änderte sich auch dann nicht, als er auf einen hohen Regierungsposten berufen wurde:

Und so verliehen Wir Josef Macht im Lande; er weilte darin, wo immer es ihm gefiel. Wir gewähren unsere Gnade, wem Wir wollen, und Wir lassen den Lohn der Rechtschaffenen (jener, die in dem Bewusstsein handeln und beten, dass Gott ihnen immer gewahr ist) nicht verloren gehen.[3]

Seine Brüder, die ihn immer mit Neid bedacht hatten, erkannten seine Tugend und Wahrheitsliebe an, noch bevor sie herausfanden, dass es Josef gewesen war, der sich als Minister im königlichen Palast von Ägypten ihnen gegenüber so nachsichtig gezeigt hatte.

Sie sagten: „O Hochmögender, er hat einen greisen Vater, so nimm einen von uns statt seiner an; denn wir sehen, du gehörst zu denen, die Gutes tun.[4]

Schließlich bezeugte der Prophet Josef selbst als ein vorbildlich gereifter Mensch, der die ganze spirituelle Zufriedenheit erlangt hat, die am eigenen Körper erfahrene Gnade Gottes:

Allah ist wahrlich gnädig gegen uns gewesen. Wahrlich, wer rechtschaffen und geduldig ist - nimmermehr lässt Allah den Lohn derer, die Gutes tun, verloren gehen.[5]

Es ist undenkbar, dass ein Herz, dessen Aufrichtigkeit jeder bezeugt, von Gottes Gnade abkommt oder ihrer beraubt wird. Ein solches Herz hat für seinen Besitzer die gleiche Bedeutung, wie ihn der Höchste Thron Gottes für das Universum besitzt. Es ist wie ein Spiegel, den der Allmächtige immerzu sieht; und ein Spiegel, über den der Allmächtige jederzeit voller Anerkennung wacht, ist nichts, was man wegwirft oder zerbrechen lässt. Er ist Wesen und Geist menschlicher Wirklichkeit - etwas, das von Gott Selbst gepriesen wird.

In den folgenden Versen ruft uns Mawlana Dschalal ad-Din ar-Rumi diese Tatsache ins Gedächtnis:

„Die Wahrheit sagt: Ich ziehe das Herz in Betracht,
Nicht die Form, die aus Wasser und Lehm geschaffen ist.
Du sagst: Ich habe ein Herz in mir,
Das Herz allerdings ist über dem Thron Gottes,
nicht unter ihm."


[1] 12:22
[2] 12:36
[3] 12:56
[4] 12:78
[5] 12:90"

 

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