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Zeitgerechter Islam / In der Türkei hat das Gespräch zwischen Christen und Muslimen größere Erfolgsaussichten

Der Dialog zwischen den Religionen Christentum und Islam ist das Gebot der Stunde, und doch tun sich beide Seiten schwer damit. Im „Abendland" gibt es nicht wenige, die den Muslimen jegliche Dialogfähigkeit absprechen, und im „Morgenland" sperrt sich gegen einen Dialog, wer sich den Vorbedingungen („Vollzieht erst einmal eure Aufklärung und eure Reformation!") nicht widerspruchslos beugen will. Schon der Aufruf zum Dialog schürt Emotionen und schafft Konflikte, obwohl er doch den größten Konflikt, den „Krieg der Zivilisationen" (Huntington), verhindern sollte und obwohl das Zusammenleben der Religionen zur eine der Kernfragen Europas geworden ist.

Über das Thema „Dialog" läßt sich aber sachlich und entspannt reden. Gezeigt hat das ein Gespräch zwischen türkischen muslimischen Theologen und deutschen Gästen. Stattgefunden hat es an einem historischen Ort, der Sommerresidenz der deutschen Botschafter in der Türkei. Heute dient sie als Ort der Begegnung zwischen Deutschen und Türken, geschenkt hatte sie 1879 Sultan Abdülhamit (Abdulhamid II.), der sich als Prinz selbst immer wieder in dieser Sommerfrische am Bosporus aufgehalten hatte, dem deutschen Kaiser Wilhelm I.

Die Türkei könnte ein Schlüsselstaat für den Dialog zwischen Christentum und Islam werden. Denn ihre Gesellschaft ist muslimisch geprägt, seit weit mehr als einem Jahrhundert sind ihre Institutionen aber immer weiter säkularisiert worden. Theologie bedarf der Freiheit, fordert Mehmet Aydin, Dekan der Theologischen Fakultät in Konya. In den meisten Ländern sei der Islam jedoch ein Werkzeug in den Händen der Machthaber. Lediglich in der Türkei könnten sich die muslimischen Theologen frei äußern. Daher hätten sie sich im Mai im Istanbuler Stadtteil Tarabya, nicht unweit der deutschen Sommerresidenz, getroffen, mit dem „Idschma", dem Konsens der Gelehrten, ein altes muslimisches Prinzip wiederbelebt und sich auf eine zeitgerechte Interpretation des Islams verständigt.

Gelingt der Dialog zwischen Christen und Islam, zwischen West und Ost in der Türkei nicht, kann er mit keinem anderen muslimischen Land gelingen. Und Deutschland kann zum Erfolg entscheidend beitragen. Lange hatten sich die Türken in Deutschland schwergetan, ihre drei Identitäten - Türke zu sein, Muslim und Deutscher - widerspruchsfrei zusammenzuführen. Lange hatten sie befürchtet, bei einer Aufgabe ihrer türkischen Staatsangehörigkeit zu Heiden zu werden. Heute könne aus den drei Elementen eine gute Synthese entstehen, eine neue Kultur, ein moderner und ein liberaler Islam, ein Euro-Islam, sagt der Publizist Cemal Ussak, der dem türkischen Prediger Fethullah Gülen nahesteht.

Ein erster Ansatz dazu ist die Einrichtung eines Lehrstuhls an der Universität Münster, an dem von diesem Herbst an muslimische Religionslehrer für deutsche Schulen ausgebildet werden sollen. Damit verliere die Aufteilung der Welt in ein „Haus des Islam" (dar al islam) und ein „Haus des Kriegs" (dar al harb) seine Bedeutung. Denn in Deutschland lebten die muslimischen Türken nicht im „dar al harb", sondern lediglich in der „Fremde" (gurbet), argumentiert Ömer Özsöy, Theologe an der Universität Ankara.

Deutschland und die Türkei können treibende Kräfte in dem Dialog sein, und doch tun sich beide Länder mit ihren religiösen Minderheiten noch nicht leicht. Aus dem deutschen Grundgesetz leitet der Juraprofessor Hüseyin Hatemi von der Universität Istanbul nicht allein die Grundlage für einen Religionsunterricht für christliche, sondern auch muslimische Schüler ab. Andererseits setze sich die Türkei dem Vorwurf eines doppelten Standards aus, wenn sie keine Ausbildung von Geistlichen für die christlichen Minderheiten dulde. Die Christen der Türkei müßten die gleichen Rechte haben wie die Muslime, fordert er.

So schwer sich die offizielle Türkei mit ihren eigenen Christen noch immer tut, so leicht fällt ihren Theologen, sich von der verkrusteten Orthodoxie in den anderen Ländern des Islams zu lösen. Muslim zu sein sei keine Frage der Religion, sondern ob der Mensch mit sich im reinen lebe, sagt Salih Akdemir, einer der fortschrittlichsten Theologen der Türkei. Einst sei Mohammed gekommen, um den Menschen die Werte für eine friedlichere Welt zu bringen. Heute gelte es, dem Weg Luthers zu folgen und Lehramt und Schrift zu trennen.

Die Theologen der Türkei wagen sich weiter vor als die in der arabischen Welt, und ihre Diskussion wird immer lebhafter. Bei arabischen Theologen findet sie allerdings nur wenig Echo, stößt an Grenzen der Wirksamkeit. Denn die verstünden ja kein Türkisch und seien zudem ein Instrument der Herrscher, klagt Mehmet Aydin. Am Dialog mit den Christen will der Muslim dennoch festhalten. Denn dazu fordere ihn ja der Koran, Vers 109 auf: „O ihr Ungläubigen!... Euch euer Glaube und mir mein Glaube!"

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