Zwischen Netzwerk und Diskurs: Das Bildungsnetzwerk um Fethullah Gülen
Fethullah Gülen ist ein zeitgenössischer pensionierter türkischer Prediger, der 1938 in einem Dorf bei Erzurum im Osten Anatoliens geboren wurde. Sein religiöses Wirken war stets mit gesellschaftlichem Engagement verbunden, und Bildung nahm in den letzten 30 Jahren seines Lebens einen besonderen Stellenwert ein. Ihn zeichnet aus, dass er seine Anhänger[1] dazu brachte, sich für die Etablierung privater Bildungseinrichtungen mit säkularem Fächerschwerpunkt einzusetzen.[2] In meiner Dissertation beschäftigte ich mich mit den Gründen für dieses mittlerweile weltweite Engagement, die teils in seinem Werk zu finden sind, teils in dem ihn umgebenden Netzwerk reflektiert werden. Beides steht wiederum in enger Verbindung zum sozio-politischen Kontext in der Türkei und den anderen Ländern, in denen seine Anhänger aktiv sind. Der folgende Beitrag soll Fethullah Gülens Leben im Hinblick auf die Beziehung zwischen Netzwerkbildung und dem durch ihn geprägten Diskurs untersuchen.[3]
Netzwerk und Diskurs um Fethullah Gülen in seiner historischen Entwicklung
Das Leben von Fethullah Gülen kann hinsichtlich seiner Beteiligung an unterschiedlichen Netzwerken und der Etablierung eines eigenen, auf ihn ausgerichteten Netzwerkes gelesen werden. In Anlehnung an Thomas Schweizer entschied ich mich für einen sehr weit gefaßten Netzwerkbegriff und definiere Netzwerk als eine Menge von Akteuren, die untereinander durch Beziehungen verbunden sind.[4]
Im vorliegenden Fall sollen durch die Netzwerkanalyse diejenigen organisatorischen Prozesse erklärt werden, die zum Entstehen des Bildungsnetzwerkes um Fethullah Gülen beigetragen haben und seiner Aufrechterhaltung dienen. Hierzu wurde seine Biographie einer Betrachtung durch die Netzwerkanalyse unterzogen. Vor dem Hintergrund des Untersuchungsinteresses, der Quellenlage und der Quellengattungen wird die Netzwerkanalyse in ihrer qualitativen Form angewandt.[5] Die Netzwerkanalyse bot sich an, weil die bisherige Gülen-Forschung Probleme hatte, das Nebeneinander unterschiedlichster Beziehungsformen und die gleichzeitige Existenz verschiedener Motive der Beteiligten, die für die Bildungseinrichtungen relevant sind, in einen theoretischen Ansatz aufzunehmen.
Die Stärke des Netzwerkes, das Fethullah Gülen aufbaute, bestand vor allem darin, dass es stark multifunktional war, d.h. Kontakte unterschiedlicher Art enthielt, die ein weites Spektrum an Handlungen ermöglichten. Bis in das Jahr 1999 gelang es Fethullah Gülen, den Funktionsumfang des ihn umgebenden Netzwerkes immer stärker zu erweitern. Die folgende Darstellung analysiert diese „funktionale Differenzierung" seines Netzwerkes im zeitlichen Überblick, kategorisiert sein Leben in einzelne Phasen und legt damit einhergehende Entwicklungen auf diskursiver Ebene offen. Auf Grund der zur Verfügung stehenden Quellen zu seiner Person verschiebt sich die Analyseeinheit von einer mikroperspektivischen Untersuchung des Egonetzwerkes in Bezug auf seine frühe Wirkungszeit ins Makroperspektivische für die spätere Zeit.[6] Dieser Perspektivenwechsel ist möglich, ohne die Netzwerkanalyse als Untersuchungsmethode zu verlassen.
Mit der funktionalen Differezierung des Netzwerkes einher ging bei Gülen eine Veränderung seines Diskurses, insbesondere seines Bildungsdiskurses. Für die Verwendung des Diskursbegriffes sprach, dass während der Bearbeitung der zahlreichen Primärquellen Gülens schnell deutlich wurde, dass sein Werk mehr Bedeutung in seinem praktischen Kontext besaß, als seine einzelnen Texte für den kontextfremden Leser auf den ersten Blick zu erkennen geben. Die Überlegungen von Michel Foucault zum Diskursbegriff sind ein Versuch, die Wirkung von Texten über ihren sichtbaren Inhalt (in Form der Textzeichen) hinaus zu verstehen und dienten als Impuls für meine eigene Diskursdefinition.[7]
Ich definiere Diskurs als das, was in Form von regulierenden Praktiken die Formulierung einer Aussage und ihre Rezeption beeinflußt. Der Diskurs, seine regulierenden Praktiken wie die Aussagen selbst sind nur in einem bestimmten diskursiven Raum, dem sozio-historischen Umfeld mit den hier vorhandenen Regeln und konkurrierenden Diskursen, gültig.[8] Der Diskurs wirkt auf die Aussagen ein, wird aber auch durch die getätigten Aussagen erzeugt. Die Aussagen der individuellen Akteure werden folglich vom Diskurs geformt und konstituieren ihn jedoch gleichermaßen mit. Das Ziel der Diskursanalyse ist es, durch die Analyse seiner einzelnen Elemente, die Aussagen, regulierenden Praktiken und den diskursive Raum zu analysieren, um die Bedeutung bestimmter Aussagen in ihrem Kontext zu verstehen.[9] Dabei verwende ich den Diskursbegriff immer in Bezug auf ein Ordnungskriterium. So spreche ich z.B. vom „Bildungsdiskurs Fethullah Gülens".
Das Netzwerk, in das Fethullah Gülen von seiner Kindheit bis zum Abschluß seiner Ausbildung eingebunden war, bestand aus den traditionellen, religiösen Beziehungen seines Geburtsortes, die auch seine religiöse Bildung prägten. Hier hatte das traditionelle System islamischer Selbstorganisation im Bildungsbereich überlebt, das zwar von staatlicher Seite nicht unterstützt, nicht einmal geduldet wurde, das aber trotzdem Bestand hatte. Bis ca. 1957, d.h. während Gülens Ausbildungszeit, war vor allem das Medresensystem wichtig für ihn. Auch die Tekke als Ort mystischer Erziehung spielte für ihn und sein Umfeld eine wichtige Rolle.[10] Mit diesen Bildungseinrichtungen waren Unterstützernetzwerke verbunden, welche zu ihrem Unterhalt dienten und auch die elementaren Bedürfnisse der Schüler sicherstellten. Das Tekken- und Medresennetzwerk war somit größer als die reine Lehrinstitution und machte deutlich, dass für islamische Bildung, wie immer sie auch verstanden wurde, Geld zu mobilisieren war. Um die finanzielle Autonomie der islamischen Bildungseinrichtungen zu verstehen, muß man sie als in ein größeres Netzwerk eingebunden betrachten. Dieses erlaubte ihnen, trotz des staatlichen Verbots weiter zu funktionieren und ihren Diskurs weiterzutragen, auch wenn diese Bildung in der offiziellen republikanischen Gesellschaftsordnung keinen Platz hatte. Die exklusive Ausbildung an den Medresen konstituierte soziale Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern sowie innerhalb der Schülerschaft.
1956/1957 kam die Nurcu-Cemaat, zu der er in Erzurum Kontakt knüpfte, als eine spezielle Art von Netzwerk zu seinen Kontakten hinzu.[11] Sie hatte in Form der Cemaat ein eigenes Netzwerk zur Produktion und Reproduktion ihres Wissens aufgebaut und war in andere Netzwerke eingebunden. Die Cemaat ist eine Organisationsform, die nach der Gründung der türkischen Republik entstand. Die Beziehungen in ihr werden durch gemeinsame religiöse Überzeugungen und gemeinsame traditionelle Werthaltungen konstituiert.[12] Eine Zugehörigkeit beruht auf der Anerkennung der in der Cemaat akzeptierten Praktiken, Autoritäten und des Diskurses der Cemaat. Ihr semi-legaler Status in der türkischen Geschichte förderte die Entstehung enger Beziehungen der Cemaat-Angehörigen untereinander und ließ ein Netzwerk mit einem hohen Grad an Multiplexität[13] entstehen, das zwar mit dem Umfeld in Kontakt stand, aber nicht jedem Außenstehenden Einblick in den Kernbereich des Netzwerkes, d.h. den Bereich der Cemaat und ihrer Struktur gewährte. Ein Eintritt in das Netzwerk der Nurcu-Cemaat in den 50er Jahren bedeutete daher, dass man sich seinen Regeln anpassen mußte; eine lockere Einbindung war zu dieser Zeit nicht einfach möglich. Zum Verständnis des im islamischen Spektrum der Türkei weit verbreiteten Konzeptes der Cemaat, zu dem es kaum theoretische Literatur gibt, erweist sich die Netzwerkanalyse als sehr hilfreich.
Im Netzwerk der Nurcu-Cemaat gab es ein hohes Maß an Kontrolle, da die Schriften Said Nursis gemeinschaftlich studiert wurden und die Autorität über die Interpretation der Schriften von denjenigen ausging, die die Kontrolle in der Cemaat hatten, den sogenannten Ağabeys („Ältere Brüder"). Sie hatten sowohl im Diskurs als auch im Netzwerk eine herausragende Stellung inne und strebten danach, die Autorität in Diskurs und Netzwerk zu behalten. Die Nurcu-Cemaat ist mithin ein sehr gutes Beispiel, wie Netzwerke dazu dienen, einen bestimmten Diskurs zu kontrollieren.
Seit der Entstehung der Nurcu-Cemaat hatten sich innerhalb des Netzwerks der Anhänger Said Nursis Teilnetzwerke um Personen und deren Vorstellungen gebildet. Fethullah Gülen trat in das Teilnetzwerk der Gruppe der Okucular („die Leser") ein, derjenigen, die Said Nursis Lehre durch das Lesen der Risales (Sendschreiben des Lichts (Risale i-Nur)) rezipiert hatten. Ihre Absicht war es, die Risales zu drucken, womit sie für eine Öffnung der Cemaat und ihres Diskurses nach außen eintraten.[14] Die wichtigste andere Nurcu-Gruppe zu dieser Zeit waren die Yazıcılar, die einen Druck der Risales ablehnten. Ihre Vertreter setzten sich aus den ersten Schülern Said Nursis zusammen. Diese Ablehnung ergab sich nicht aus Technophobie, sondern war ein Resultat ihrer eigenen Rezeptionsgeschichte von Said Nursis Ideen. Sie wollten die Risales handschriftlich und in osmanischer Schrift verbreiten, wie dies in der Entstehungszeit der Nurcus gepflegt worden war, daher auch ihr Name Yazıcılar („die Schreiber"). Das Abschreiben des osmanischen Textes stellte für sie einen wichtigen Prozeß zum persönlichen Verständnis des Textes dar. Eine Übermittlung der Lehrinhalte war in diesem System sehr eng mit dem Kontakt zu den Überlieferern des Textes verbunden, die das Abschreiben kontrollierten. Dies resultierte in der Herausbildung sehr enger netzwerklicher Kontakte und einer maximalen Kontrolle über den Diskurs, weil die Transmission des Textes durch die Altvorderen (diejenigen, die Nursi [gest. 1960] selbst am nächsten gestanden hatten) kontrolliert wurde.
Durch seine Anstellung als Prediger in Edirne 1958 trat Gülen in den Sektor der staatlichen Religionsvermittlung. Über Kontakte aus seiner Geburtsstadt Erzurum hatte er gute Verbindungen zum Amt für Religionsangelegenheiten in Ankara. Wichtig für ihn, vor und nach seinem Militärdienst (1960-1961), waren die sogenannten „religiösen Kreise" vor Ort, zu denen Menschen verschiedener religiöser Gruppierungen gehörten. Diese verschiedenen Kreise bildeten zusammen ein offenes Netzwerk, das auf einem gemeinsamen, übergreifenden islamisch-konservativen Diskurs und gemeinsamen Praktiken fußte. Hier wurden Schriften von Autoren gelesen, welche gruppenübergreifende Autorität im islamischen Diskurs besaßen, wie z.B. Necip Fazıl Kısakürek.[15] Diese Menschen waren durch eher lose, lediglich auf Sympathie beruhende Beziehungen („weak ties") verbunden und jeweils in verschiedene andere Teilnetzwerke eingebunden. Vor allem diese „weak ties" halfen Gülen immer wieder, die Grenzen der Nurcu-Cemaat zu überwinden.[16]
Das Netzwerk der Nurcu-Cemaat, in das er damals eingebunden war, wies andere Strukturen auf als die eben beschriebenen „religiösen Kreise". Hier werden bis heute in erster Linie die Schriften Said Nursis gelesen, der gepflegte Diskurs ist viel spezieller, die Beziehungen im Netz sind eng und mulitplex und haben eine eigene Hierarchie, die sich von Gruppe zu Gruppe unterscheidet.[17] Die Beziehungen sind in einem hohen Maße asymmetrisch, was von den Beteiligten auch akzeptiert wird. Diese Asymmetrie ist jedoch ebenfalls in anderen Netzwerken mit Lehrer-Schüler Beziehungen zu finden. Der Druck der Risales seit den 50er Jahren und das Entstehen mehrerer Nurcu-Gruppen verringerten jedoch die Asymmetrien innerhalb der Nurcu-Cemaat, da sie die Macht einzelner Ağabeys einschränkten, weil innerhalb der Cemaat Alternativen entstanden. Gleichwohl ist die hierarchische Ordnung der Beziehungen ein bis heute wichtiges Merkmal des Nurcu-Netzwerkes. Die älteren Cemaat-Angehörigen werden nicht nur respektvoll Ağabey genannt, sondern genießen auch die Autorität, die dem älteren Bruder idealtypischerweise gebührt. Dies wird in einer von Gülen geschilderten Begebenheit illustriert: Gülen reiste nach Istanbul, um Necip Fazıl, den er kennengelernt hatte und der einige positive Artikel über die Nurcus in seiner Zeitschrift Büyük Doğu veröffentlichte, eine Sammlung der Risales zu geben. Aber Zübeyir Ağabey (Zübeyir Gündüzalp), der damalige Führer der Okucular, in die Gülen eingebunden war, wollte dies nicht. Daraufhin kehrte er aus Istanbul zurück, ohne Necip Fazil die Risales übergeben zu haben. Dies belegt Gülens damals noch starke Einbindung in das Beziehungsnetzwerk der Nurcu-Cemaat und ihre interne Hierarchien.[18] Zum einen muß Fethullah Gülen es als notwendig empfunden haben, für die Buchübergabe um Erlaubnis zu fragen, zum anderen war die Meinung von Zübeyir Ağabey maßgeblich für sein Handeln. Beides spricht für die Stärke der Beziehungen. Das gewählte Beispiel zeigt auch die Verwendbarkeit der Netzwerkanalyse für die Verarbeitung biographischer Quellen.
Die regelmäßigen Lesungen der Risales in der Nurcu-Cemaat ließen ein dichtes Netzwerk entstehen, in dem die Beziehungen multifunktional sein können, da die Teilnehmer nicht nur die gleichen religiösen Interessen teilen, sondern auch z.B. zusammen lebten und arbeiteten. Sie mussten sich aber auch nach außen etwas öffnen, um Menschen von den eigenen Anliegen zu überzeugen, d.h. neue Cemaat-Angehörige zu gewinnen und Anliegen, die sie mit Personen außerhalb der Cemaat teilten, zu koordinieren. Die Aktivitäten waren ein Balanceakt zwischen Öffnung und Exklusivität.
Die Wirkung einer Cemaat hängt von ihrer Fähigkeit ab, Beziehungen in andere offenere Netzwerke hinein zu knüpfen, die ihren Wirkungskreis erweitern. Hierbei muß allerdings darauf geachtet werden, dass die Cemaat-Identität nicht verloren geht, d.h. dass die Außenaktivitäten von den Cemaat-Angehörigen immer noch als Cemaat-typisch empfunden werden. Hierzu ist es wichtig, dass der Diskurs innerhalb der Cemaat derselbe bleibt. Auf der anderen Seite darf er, will die Cemaat eine hohe Außenwirkung haben, nicht zu speziell werden, da die eigenen Anliegen sonst nicht über die eigenen Grenzen hinweg vermittelt werden können. Gülen war hier flexibler als die Nurcu-Cemaat.
Das die Cemaat umgebende Gesamtnetzwerk ermöglicht die Interaktion der Cemaat mit ihrem Umfeld. Mit der Cemaat in Kontakt zu treten ist zwar einfach. Der Eintritt in das Teilnetzwerk der Cemaat selbst ist jedoch schwieriger und an die Akzeptanz der Cemaat-Beziehungen und ihres Diskurses gebunden. Diese Fähigkeit einer Cemaat, Verbindungen zu anderen etablierten Gruppen einzugehen sowie Beziehungen zu Einzelpersonen zu knüpfen, wurde besonders für Fethullah Gülen sehr wichtig. Immer wieder fungierte er als Broker, der die Nurcu-Cemaat mit anderen Netzwerken verband, indem er den Cemaat-Diskurs in einen eigenen Diskurs transformierte, der einen weiteren Gültigkeitsbereich hatte als der der Nurcus. Hierdurch entstanden auch neue Netzwerkverbindungen, die nicht mehr auf die Nurcu-Cemaat fokussiert waren, sondern auf die neue entstehende Gülen-Cemaat.
Parallel zu Entwicklungen innerhalb des Gülen-Diskurses verliefen als auch Entwicklungen in seinem Netzwerk. Während seines Aufenthaltes in Izmir von 1966 bis 1971, wo er als Prediger tätig war, erhielt die funktionale Differenzierung des Gülen-Netzwerkes einen regelrechten Schub. Auf der Ebene seiner Aktivitäten innerhalb der Nurcus sollte Gülen sich auf Geheiß Mustafa Sungurs, der zu den Ağabeys der Okucular gehörte und Nursi noch persönlich gekannt hatte, um die Errichtung von Dershanes (Verbreitungsorten der Risales) kümmern. Gülen war Cemaat-intern aufgestiegen, man vertraute ihm und übergab ihm Verantwortung. Auch engagierte er sich in der Organisation von religiösen Sommerlagern, die diskursiv und netzwerklich mit der Cemaat verbunden waren. Sie wurden von der Cemaat finanziert, und die religiöse Bildung hatte hier eine Nurcu-Prägung. Doch schildert Gülen auch die Zwänge zu Kompromissen, die aus der Einbindung resultierten. Weitere Aktivitäten waren die Herausgabe der İttihat Gazetesi Ende der 60er Jahre (organisiert durch die Okucular-Gruppe) sowie der Aufbau von Wohnheimen. Diese Aktivitäten wurden von der Cemaat getragen, dienten zur Verbreitung des Cemaat-eigenen Diskurses, waren aber eben nicht exklusiv nur für Cemaat-Mitglieder, sondern richteten sich an alle „religiös interessierten" Menschen, die auch an der Herausgabe beteiligt waren. Bei dem Aufbau der Wohnheime griff Gülen auf die Hilfe anderer islamischer Netzwerke zurück, etwa auf die Unterstützung der Stiftung İlim Yayma Vakfı, die nichts mit den Nurcus zu tun hatte. Besonders im Hinblick auf die Wohnheime weist Gülen immer wieder auf die Wichtigkeit der Beteiligung von Menschen außerhalb der Cemaat hin. Vor allem durch seine Predigertätigkeit hatte er einen guten Zugang zu religiösen Menschen aus verschiedenen religiösen Gruppen. Hier baute er viele Kontakte auf, die es ihm erlaubten, Hilfe auch von außerhalb des Nurcu-Netzwerkes zu erhalten. Die Aktivitäten im Bildungsbereich, verstärkt von der Cemaat durchgeführt, fungierten als eine Brücke, welche die Cemaat mit der religiösen Öffentlichkeit verband.
Über die damalige Stellung von Fethullah Gülen in der Nurcu-Cemaat sowie innerhalb der Fraktionen der Nurcu-Cemaat gibt eine Anekdote Aufschluß, in der er einen Streit mit dem Rechtsanwalt Bekir Berk wiedergibt, der fest zur Okucular Gruppe gehörte. Fethullah Gülen wurde, weil er gerade in Izmir war, zu einer Versammlung der Ağabeys eingeladen. Er sagt hierzu, dass er hierher nicht eingeladen worden wäre, wäre er nicht zufällig vor Ort gewesen. Dies zeigt, dass er nicht zu den einflußreichen Nurcus der Okucular jener Region gehörte. Hier schlug er Bekir Berk (einem Ağabey, der Nursi persönlich kannte) vor, doch auch noch andere Ağabeys einzuladen, um die Kräfte zu bündeln. Die Namen, die er nannte, sind u.a. der Yazıcılar-Fraktion zuzuordnen. Bekir Berk wies seinen Vorschlag in sehr schroffer Form zurück, was dahingehend interpretiert werden kann, dass Gülen in der Autorität niedriger stand und dass eine Zusammenarbeit mit der anderen Gruppe für Berk nicht in Frage kam.[19] Gleichzeitig zeigt Gülens Teilnahme an der ersten Zeitung der Nurcu-Cemaat, der İttihat Gazetesi, die einen wichtigen Schritt zur Vermittlung der eigenen Ideen an eine breite Öffentlichkeit darstellt, dass er eine bedeutsame Person in der Cemaat geworden war. Doch seine Vorstellungen in organisatorischen Fragen stimmten nicht immer mit der Mehrheitsmeinung im inneren Zirkel der Cemaat überein. Dies betraf seine Ansichten über die Cemaat-internen Strukturen, ebenso wie die Verbindungen zum äußeren Umfeld. Er begann in dieser Zeit, die Cemaat zunehmend als beengend zu empfinden. Nicht alle wollten für eine Ausweitung der Aktivitäten die Kompromisse eingehen, die er bereit war zu akzeptieren, etwa darauf zu verzichten, ausdrücklich Said Nursi als Quelle des eigenen Handelns zu nennen. Gülen erwähnt, dass Gruppenzwänge ihn davon abhielten, so zu handeln, wie er es wollte.
In den 70er Jahren begann Fethullah Gülen ein eigenes, von den Nurcus unabhängiges Netzwerk aufzubauen. Die Anhänger hierfür stammten zuerst aus seinem direkten Umfeld und waren in den eigenen evleri („Häusern" so nannte er die Räumlichkeiten, in denen der Güle-Diskurs vermittelt wurde) mit Gülen-typischen Lehrmethoden erzogen worden. Hierbei spielte die Etablierung neuer diskursiver Praktiken eine wichtige Rolle, so z.B. der Einsatz von Tonbandkassetten, auf denen Gülens Predigten oder Gespräche mit ihm zu hören waren. Dies wurde von vielen etablierten Personen der Nurcu-Cemaat nicht als legitim erachtet. Neue diskursive Praktiken (hier verstanden als Wege, mit denen ein bestimmter Diskurs sich artikuliert) waren also verbunden mit der Etablierung eines eigenen Netzwerks. Das eigene Netzwerk entwickelte sich aus seinen bestehenden Beziehungen heraus, was die bis heute andauernden Überschneidungen mit der Nurcu-Cemaat erklärt.
Fethullah Gülens Vorgehen zeichnete sich vor allem durch die Ausdehnung seines persönlichen Wirkens in den öffentlichen Raum sowie die abnehmende Bindung an die Nurcu-Cemaat aus. Wie Ende der 60er Jahre hielt er auch in den 70er Jahren Predigten und organisierte Sommerlager. Er propagierte jedoch zunehmend einen eigenen Diskurs, der anderen diskursiven Praktiken - welche darüber bestimmten, welche Aussagen in welcher Form als legitimer Bestandteil des Diskurses erachtet werden - unterlag als der Nurcu-Diskurs, da er allgemeiner gehalten war. Hierzu bediente er sich neuer Mittel. Neben den evleri und dem Einsatz von Kassetten ist vor allem die Entstehung der Zeitschrift Sızıntı 1979 zu nennen. Sie ging aus seinem Umfeld hervor und diente der Verbreitung und Kontrolle seines eigenen Diskurses. Er konnte von Ausgabe zu Ausgabe regulierend eingreifen. Das Netzwerk, das sich um ihn entwickelte, gewann in seinem Kern die Struktur einer eigens auf ihn ausgerichteten Cemaat. In dem Nurcu-Netzwerk, in das er vorher eingebunden war, war für seine dominierende Stellung kein Platz gewesen. Doch gab es weiterhin Teile der Nurcus, die ihn und seine Aktivitäten unterstützten und ihn als Bestandteil der Nurcu-Cemaat sahen. Dies lag vor allem an der Entstehungsgeschichte seines Netzwerks, aber auch daran, dass sein eigener Diskurs wesentliche Elemente des Nurcu-Diskurses enthielt. Die Spaltung von den Nurcus war also graduell und nicht absolut.
In seinem Netzwerk waren die Grenzen zwischen dem dichten Cemaat-Teil (in dem er hohe Autorität besaß) und der Öffentlichkeit wesentlich fließender, als dies innerhalb der Nurcus der Fall war. Das weitere Hinausgehen über die Cemaat-Grenzen der Nurcus wurde Ende der 70er Jahre vor allem durch die Errichtung von Stiftungen im Bildungsbereich und den Ausbau der medialen Präsenz gefördert. Dabei wurden die Kassetten und Schriften Gülens doppelt genutzt. Ihre Aussagen waren so gestaltet, dass sie innerhalb des allgemeinen religiösen Diskurses außerhalb der Nurcus eine Bedeutung hatten. Gleichzeitig hatten sie innerhalb des Gülen-Diskurses, der sich auf der Cemaat-Ebene etabliert hatte, eine eigene Bedeutung für die Gülen-Cemaat. Der Gülen-Diskurs oszillierte damit zwischen Cemaat und religiöser Öffentlichkeit. Diese doppelte Interpretationsmöglichkeit bleibt bis heute ein wichtiges Merkmal der Schriften Gülens. Die ersten Dershanes der Anhänger (ab 1978) - Bildungseinrichtungen mit vom Bildungsministerium vorgegeben Lehrplänen, welche die Schüler auf den zentralen Universitätsaufnahmetest vorbereiten - stellten eine neue Art von islamischem Engagement dar, denn ihr Lehrinhalt war säkular und somit keine islamische Aktivität im klassischen Sinne. Aber in Verbindung mit ihren Wohnheimen und den Freizeitaktivitäten wurden sie zu Orten, an denen die Schüler durch die von der Gülen-Cemaat ausgewählten Lehrer in den Gülen-Diskurs und oft auch in dessen Cemaat integriert wurden. Wie die Predigten von Gülen waren die Dershanes nicht auf ein bestimmtes Publikum beschränkt, sondern versuchten, möglichst viele Menschen zu erreichen. Religiös wurden die neuen Orte durch die hier arbeitenden Menschen und deren religiöse Lebenspraxis, nicht durch die dort vermittelten Lehrinhalte. Sie verkörperten die Vorstellung Gülens von der Vereinbarkeit von Religiosität und Partizipation am „modernen" Leben. Das Personal entstammte oft der eigenen Gülen-Cemaat oder auch der größeren Nurcu-Cemaat. Dadurch, dass die Gülen-Cemaat über das Lehrpersonal und die Wissensvermittlung wachte, wurde ein Bereich der nicht-religiösen Bildung - die in Augen vieler eine Gefahr für den Glauben darstellte - zu einem Bereich gemacht, der durch die Anwesenheit religiöser Menschen zu einem im religiösen Sinne positiven Ort wurde. So wurde auch an säkularen Orten der eigene Diskurs vermittelt.
Dabei hatte das Dershane die Funktion, das Netzwerk, in dem der Gülen-Diskurs verbreitet werden konnte, zu vergrößern. Denn die im Dershane angebotene Dienstleistung konnte auch für Menschen außerhalb der Gülen-Cemaat attraktiv werden. Damit konnte das Dershane und mit ihm Teile des Gülen-Diskurses über die Gülen-Cemaat und die weitere Nurcu-Cemaat, sogar über das religiös motivierte Publikum insgesamt hinausreichen. Es wurde eine organisatorische Einheit geschaffen, die in zweifacher Hinsicht wirken konnte. Für Menschen, die sich der Cemaat von Gülen zugehörig sahen, stützte das Engagement für das Dershane und sein Besuch den eigenen Gülen-Diskurs. Für sie war die Errichtung eines Dershanes religiös verdienstvoll, sie schickten ihre Kinder auch zur religiösen Sozialisation dorthin. Für Menschen, die nicht in die Gülen-Cemaat integriert waren, versuchte man durch die Dershanes eine Kontaktbrücke zur Cemaat zu schaffen oder durch die eigene Arbeit ein positives religiöses Beispiel zu geben.[20] Durch die Verwendung eines allgemeinen religiös-konservativen Diskurses konnten auch Menschen, die sich nicht der Gülen-Cemaat zugehörig sahen, in einem hohen Maß in die Aktivitäten einbezogen werden.
Durch die Erweiterung der Aktivitäten der Cemaat werden Bereiche des alltäglichen Lebens „islamisiert". Die Islamisierung erfolgt zum einen durch eine entsprechende Argumentation, die immer neue Handlungsfelder als islamisch relevant definiert,[21] zum anderen durch die Auswahl des Personals. Hier ist gewährleistet, dass man auch an jenem neu erschlossenen Ort den eigenen religiösen Pflichten nachgehen kann, und dass das eigene Umfeld die Aktivität in einem „säkularen" Bereich nicht als Zeichen mangelnder Religiosität auffaßt, sondern sogar als religiöses Engagement.
Die weitere Öffnung nach außen, die das Engagement im säkularen Bildungsbereich mit sich bringt, bedingte eine Vielfalt an Beziehungen und Einbindungen innerhalb des Netzwerkes. Die Beziehungen in diesem Netz beruhen nicht mehr zwangsläufig nur auf identischen religiösen Werthaltungen. Dies zeigt sich darin, dass es Gülen gelang, wichtige Financiers von außerhalb der Cemaat für die Aktivitäten zu gewinnen. Diese gehörten zu den „religiösen Kreisen". Die Reichweite seines Netzwerkes wurde wesentlich erhöht. Die Cemaat bestand aus zahlreichen lokalen Einheiten, die in den evleri und vergleichbaren Orten, an denen die Schriften Gülens gemeinschaftlich gelesen wurden, den Cemaat-Diskurs pflegten und hier auch Cemaat-Beziehungen ausbildeten. Die Kommunikation zwischen diesen lokalen Einheiten fand durch wichtige Personen aus dem direkten Umfeld Gülens statt und wurde durch die Medien und die damit verbundenen neuen diskursiven Praktiken erleichtert. Dabei kommunizierten die Medien die Anwendung des Gülen-Diskurses auf gegenwärtige Fragestellungen. Innerhalb des Gülen-Netzwerkes traten immer mehr unterschiedliche Beziehungsformen auf, der Kernbereich wurde aber weiterhin von der Gülen-Cemaat gebildet.
Die nächste Phase in Diskurs und Netzwerk reicht von 1980 bis 1994. In dieser Zeit war Fethullah Gülen im wesentlichen in der gleichen Art tätig wie vorher, nur wurde die Umsetzung seiner Ideen durch die staatliche Politik gefördert. In dieser Zeit propagierte der Staat eine türkisch-islamische Wertauffassung (die Türkisch-Islamische Synthese)[22] und privates Engagement. Hierdurch sollte vor allem an den Staatsausgaben gespart werden. Dies traf insbesondere auf den Bildungsbereich zu, in dem die Gründung privater Schulen nun möglich geworden war. Die Anhänger von Fethullah Gülen nutzten diese neuen Freiräume. Innerhalb der Türkei entstanden so immer mehr Bildungseinrichtungen, und nach 1990 wurde das Engagement mit Unterstützung des türkischen Staates auf das Ausland ausgedehnt. Dabei bediente sich der Staat der Anhänger Gülens zur Verwirklichung seiner eigenen politischen Ziele, nämlich vor allem in den Turkrepubliken der ehemaligen Sowjetunion kulturpolitisch zu wirken.
Gülen gelang in dieser Zeit die allmähliche Ausdehnung seiner medialen Präsenz, bis 1994 war er aber vor allem einem religiösem Publikum bekannt. Hierbei wurden auch Menschen aus anderen religiösen Lagern in die Aktivitäten integriert. So arbeiteten für die Tageszeitung Zaman, die seine Anhänger betrieben, Personen wie z.B. Mehmet Şevket Eygi oder Fehmi Koru, die im allgemeinen islamischen Diskurs Autorität besaßen. Das Jahr 1994 markierte einen Wendepunkt für Fethullah Gülen und seine Bewegung. Er und seine Anhänger traten aus der Beschränkung auf die religiöse Öffentlichkeit heraus. Es bildeten sich im Umfeld seiner Anhänger immer neue Aktivitäten, die von zivilgesellschaftlichen Organisationen bis hin zu Wirtschaftsunternehmen reichten. Diese unterstützen sich gegenseitig und bildeten ein Netzwerk von Organisationen, das durch Personen aus der eigenen Cemaat zusammengehalten wurde. So warben die Medien der Gülen-Cemaat beispielsweise verstärkt für die Firmen der eigenen Cemaat und berichteten von den Aktivitäten der Cemaat-Stiftungen.
Erleichtert wurde dies durch die politischen Entwicklungen in der Türkei, die nach dem Militärputsch von 1980 stattfanden, den Wirtschaftliberalismus, die TIS und die staatliche Deregulierungspolitik vor allem im Bildungsbereich. Ab 1994 kam als entscheidendes Element hinzu, dass sämtliche Parteien und staatliche Eliten nach Personen suchten, die im religiösen Umfeld hohe Achtung genossen, sich gleichzeitig aber gegen den politischen Islam aussprachen, wie er durch die Refah Partisi von Necmettin Erbakan verkörpert wurde, der zu dieser Zeit einen Aufstieg erlebte. Sie fanden in Gülen eine solche Person. Durch den Kontakt mit ihm konnte man sich volksnah (weil Islam-nah) zeigen, gleichzeitig aber distanziert gegen den politischen Islam Stellung beziehen.
In den 80er und 90er Jahren war die Anhängerschaft Fethullah Gülens stark angewachsen. Sie eroberte immer neue Gebiete für ihr Engagement. Antriebsmotor der jeweils aktuellen Aktivitäten waren die Resultate der vorher geleisteten Arbeit. So gab es nach dem Fall des eisernen Vorhangs genug qualifiziertes Personal, welches im heimischen Bildungssektor Erfahrung gesammelt hatte, um die Aktivitäten auch auf das Ausland auszudehnen. Schon lange war es für Fethullah Gülen unmöglich, überall unter seinen Anhängern persönlich präsent zu sein. Er wirkte in medialer Form, oft an den Orten der Cemaat, wo die Medien in der Gruppe rezipiert wurden. Neben seiner Person wurden für den Gülen-Diskurs auch die Medien immer wichtiger, die von den Anhängern produziert wurden, hatten sie doch das Ziel, Gülens Gedanken und Ideen in ihre Publikationen mit einzubeziehen.[23] Auch die Tätigkeiten der Bildungseinrichtungen, über die zunehmend berichtet wurde, wurden zum Bestandteil des Diskurses. Ein Zeitungsbericht über die Bildungsaktivitäten der Anhänger in z.B. Turkmenistan hatte für den Diskurs eine Bedeutung, genauso wie ein Artikel von Gülen zum Thema Bildung. Hier sieht man, wie Netzwerk und Diskurs verschmelzen, denn die Aktivitäten des Netzwerks wurden Bestandteil des Diskurses.
Zwischen 1994 und der Krise des Jahres 1999 gab es keinen gesellschaftlichen Bereich von Politik bis Sport, in dem Fethullah Gülen nicht präsent gewesen wäre. Er entwickelte Kontakte, die sich über die gesamte Gesellschaft zogen. Die weiterreichenden Verbindungen dieser Zeit in die säkularen Teile der Gesellschaft waren zwar ein sehr schwacher Bestandteil des Netzwerkes, die neuen Akteure waren schwach in das Netzwerk eingebunden, doch erleichterten sie das Wachstum seiner Kernbereiche, weil sie Gülen legitimierten. Diese Legitimation führte dazu, dass alle Aktivitäten des Netzwerks ungehindert stattfinden konnten, und schufen Vertrauen. Denn wichtige Persönlichkeiten des Staates lobten Gülen und die Aktivitäten seines Netzwerkes. Durch die neue Öffentlichkeit konnte er Menschen, die er vorher nicht erreichen konnte, auf sich und seine Cemaat aufmerksam machen. In dieser Zeit bildeten seine Anhänger immer wieder neue Brücken in die säkularen Teile der Gesellschaft. Sie erhielten Auftrieb durch die Popularität Gülens und er erhielt Auftrieb durch ihre Aktivitäten.
Der Wirkungsbereich von Fethullah Gülen erstreckte sich in dieser Zeit mithin auf drei Ebenen: Die eigene Cemaat, ein allgemein religiöses Publikum und die säkulare Öffentlichkeit. Aus den diesen drei Bereichen formierte sich sein Ego-Netzwerk. Doch handelte es sich um verschiedene Teilnetzwerke, in denen Fethullah Gülen sich unterschiedlicher Diskursstränge bediente, um die Menschen von der Wichtigkeit zum Engagement für Bildung zu überzeugen. In den verschiedenen Teilnetzwerken waren die Beziehungen von sehr unterschiedlicher Qualität und Stärke. Eine Diskursanalyse offenbart, dass das konservativ-religiöse Element in seinem Diskurs dominierte; wenn es auch nicht in seinen Statements vor laufenden Kameras vorherrschte, so war es doch nach wie vor das wichtigste Element in den Medien der Cemaat. Alle Aktivitäten wurden von der Cemaat getragen, sie bildete das Rückrat des Netzwerkes, von dem sie scheinbar nur ein kleiner Teil zu sein schien. Doch sie war das Kernnetzwerk, durch welches das Gesamtnetzwerk zusammengehalten wurde.
Doch rang ihm die säkulare Öffentlichkeit und vor allem die Politik Statements ab, die die religiöse Öffentlichkeit verärgerten. So führte seine Haltung in der Kopftuchfrage (Gülen legitimierte in gewisser Weise das staatliche Verbot des Kopftuchs an Universitäten und weiterführenden Schulen) und zum Verbot der Refah Partisi, in der er ebenfalls die autoritären Maßnahmen des Staates verteidigte, zum Verlust von Anhängern. Im selben Zug verlor auch das Netzwerk, das seinen Diskurs verbreitete, an Zuspruch seitens religiöser Gruppen. So büßte die Zeitung Zaman Leser und kritische Journalisten in dieser Zeit ein, da sie sich unkritisch gegenüber den staatlichen anti-religiösen Maßnahmen zeigte.[24]
Änderungen auf der Diskursebene hatten somit direkte Konsequenzen für das Netzwerk. Ein Kommentator stellte fest, dass kritische Bemerkungen an einer Stelle des Netzwerks sich auf das ganze Netzwerk auswirken könnten. Eine Kritik am Staat in der Zeitung beispielsweise hätte die Bildungseinrichtungen in Bedrängnis bringen können. Seine Statements hatten zwar negative Auswirkungen auf das Netzwerk, gefährdeten es jedoch nicht in dem Maße, wie man hätte annehmen können.[25] Dies lag daran, dass einige Statements noch lange nicht den Gesamtdiskurs veränderten. Hier erweist sich der Diskursbegriff als sehr hilfreich für das Verständnis eines Zusammenhalts und des Auseinanderbrechens des Netzwerks. Der Diskurs wird von einer Reihe von Aussagen mitbestimmt, die sich über eine gewisse Zeitspanne erstrecken, und ist in seinem Wandel schwerfällig. Gerade aus dieser Trägheit des Diskurse bezog der Kernbereich des Gülen-Netzwerkes seine Stärke. Betrachtet man die Schriften, die von Gülen zu dieser Zeit kursierten, so stellt man fest, dass sie voll und ganz auf das religiöse Publikum ausgerichtet waren und keine so radikal-säkularen Äußerungen enthielten, wie sie in der säkularen Öffentlichkeit gemacht wurden. Seine Aussagen in den säkularen Medien schienen für die Kernbereiche des Netzwerkes nicht relevant genug gewesen zu sein, als dass sie seine Struktur hätten verändern können. Auch gab es im Netzwerk Strategien, die Aussagen Gülens den Anhängern so zu erklären, dass sie nicht in zu großem Widerspruch zu seinen vorherigen Aussagen standen.
In dieser Zeit zeigte sich, dass sein Netzwerk aus Teilnetzwerken bestand, die untereinander schwach verbunden waren. Die Kohäsion des großen Gesamtnetzwerkes, das Mitte der 90er Jahre entstanden war, erwies sich als niedrig. So konnte ein Kemalist ihn und die Aktivitäten seiner Anhänger zwar loben und eine Auszeichnung von seinen Anhängern dankend in einer Zeit annehmen, in der Gülen populär war. Doch heißt das nicht, dass er auch im Krisenfall bereit gewesen wäre mit ihm und seinen Anhängern Solidarität zu zeigen. Letzteres aber taten diejenigen, die Bestandteil seiner Cemaat waren. Diese unterschiedlichen Qualitäten der Beziehungen im Netzwerk zeigten sich in der Krise des Jahres 1999, in dem Gülen und seine Anhänger vor allem seitens des Militärs und der Sicherheitskreise durch die Veröffentlichung von Abhörprotokollen in Verruf gebracht wurden. Ein großer Teil der Prominenz, die ihn als Schutz vor dem politischen Islam gepriesen und seine Nähe gesucht hatte, nahm nun Abstand von ihm. Der Staat hatte den diskursiven Raum verändert, in dem neuen Raum war Gülen nicht mehr relevant. Die Veränderung des diskursiven Raums ging führte auch zu einer Veränderung des Netzwerkes. Viele der zwischen 1994 bis 1999 neu entstandenen Verbindungen überdauerten die Krise nicht. Diejenigen, die ihn hatten hochleben lassen, schimpften nun auf ihn. Nicht alle, die sich um einen Platz neben Gülen auf einem Photo gedrängt hatten und damit Beziehungen suggerierten, wollten daran erinnert werden. Die Strategie der großen Reichweite des Netzes war an ihre Grenzen gestoßen.
Der Versuch, alle Menschen des großen Netzwerkes in einem Diskurs zu vereinigen, hatte zu Problemen geführt. In der Krise wird deutlich, dass, obwohl seine Förderung durch den Staat in anderen islamischen Kreisen auf Kritik stieß, die Beziehungen zu den anderen islamischen Gruppen weiterhin stark waren. Dies lässt sich durch die gezielte Auswertung des Diskurses nachvollziehen. Denn anders als die suggerierten Beziehungen zur säkularen Öffentlichkeit waren die realen Beziehungen seiner Anhänger zu den Nurcus und zu anderen religiösen Gruppen nie abgebrochen worden, der gemeinsame religiöse Diskurs nie verstummt. Im Gegenteil: Hierin mag der Grund dafür liegen, dass man seinen Anhängern in Sicherheitskreisen die ganze Zeit über mißtraute, obwohl Gülen und seine damaligen Äußerungen dazu keinen Anlaß gaben.
Die religiöse Öffentlichkeit schätzte Gülen vor allem als Prediger und erkannte seine Anhänger an, weil sie diese von ihren Tätigkeiten kannten. Diese Tätigkeiten waren selbst Bestandteil des Diskurses. In der Krise wog dies mehr als Gülens Worte, die er in den großen Zeitungen gesagt hatte. Gülen selbst hatte zwischen 1994 und 1999 immer mal wieder auch Präsenz in islamischen Kreisen gezeigt, sei es bei den Veranstaltungen der Nurcus oder bei allgemeinen islamischen Anlässen. Auch die Kontakte im interreligiösen Bereich erwiesen sich als stabil.
Aufstieg und Fall in der offiziellen Meinung drückten sich im Netzwerk aber auch auf der diskursiven Ebene, in seiner Titulierung aus. Die Änderungen im Netzwerk wurden auf der sprachlichen Ebene greifbar. Die Aberkennung des Ehrentitels „Hocaefendi" durch die weite Öffentlichkeit korrelierte mit dem Abbruch der Kontakte dieser Öffentlichkeit zu ihm. Dies zeigt, wie Netzwerk und Diskurs miteinander verbunden sind und wie die Analyse von Sprache zur Rekonstruktion von Beziehungen nutzbar gemacht werden kann. So nannten viele Journalisten und Politiker Fethullah Gülen in der Hochphase seiner Anerkennung entweder „Fethullah Hocaefendi" (dies war ursprünglich die Bezeichnung seiner Anhänger für ihn gewesen und impliziert eine hohe Wertschätzung der Person) oder etwas distanzierter „Fethullah Hoca". In der Krise von 1999 nannten viele Zeitungen ihn abfällig „Fethullah".[26] Selbst Zaman spricht bis heute nur noch von „Sayın Gülen" oder „Fethullah Gülen",[27] um nicht mehr allzu stark die eigene Nähe zu Gülen zu betonen.
Fethullah Gülen selbst hielt sich in den USA auf, als sich die Krise seines Netzwerks ereignete, und er ist von dort, nach eigenen Angaben aus gesundheitlichen Gründen, bis heute nicht zurückgekehrt. Gleichzeitig läuft ein Gerichtsverfahren gegen ihn, dessen Ausgang ungewiß ist. Die Tatsache, dass Gülen in den USA wieder mehr Wert auf seine alten Kontakte legte, wurde auch darin deutlich, dass er nach der Krise seines Netzwerkes anlässlich des Todes einiger wichtiger islamistischer Persönlichkeiten Beileidsbekundungen schrieb. Zumindest hob das Umfeld von Fethullah Gülen solche Aktivitäten stärker hervor als vorher. Auch artikulierte er nun wieder wesentlich offener seine Beziehungen zu der Nurcu-Cemaat. Die Krise zeigte, dass ein Netzwerk nicht dauerhaft nur durch Worte erweitert und zusammengehalten werden kann, und dass Beziehungen auf Photos weniger stabil sind, als diejenigen, die durch die Teilnahme an gleichen sozialen Praktiken konstituiert werden. Einzelne Diskursstränge allein sind nicht in der Lage, dauerhafte Beziehungen von hoher Stärke zu konstituieren. Um dauerhafte Beziehungen mit Handlungsdeterminanz zu konstituieren, bedarf es mehr als nur Worte, es bedarf eines Netzwerkes, in dem der Diskurs mit Praktiken verbunden wird. Denn die Teilnahme an einem gemeinsamen Diskurs oder Diskursstrang kann Grundlage für soziale Beziehungen sein, muß sie aber nicht konstituieren.
Die Schriften und Aussagen Gülens werden primär innerhalb des Netzwerkes, vor allem im Bereich der Cemaat rezipiert, und es ist das Netzwerk, das den Diskurs durch seine Medien und Handlungen produziert. Damit reicht der Gülen-Diskurs weit über die von ihm verfaßten Texte hinaus. Die Erkenntnis, dass der Diskurs mehr ist als nur die Texte von Gülen, ist wichtig, um Kontinuitäten in der Netzwerkkonstellation zu verstehen, obwohl einzelne seiner Aussagen Gülens eigentlich Brüche nahelegen würden. Aus diesem Grund hatten einige seiner Aussagen, welche die autoritäre-antireligiöse Staatspolitik befürworteten, keinen so großen Einfluß auf den religiösen Teil seines Netzwerkes, wie man vermuten könnte. Zum Zeitpunkt der Krise im Jahr 1999 standen auch diejenigen aus dem islamischen Bereich ihm bei, die er vorher kritisiert hatte.
Diskurs und Netzwerk
Die Analyse der Biographie Fethullah Gülens mit Hilfe der Netzwerk- und der Diskursanalyse zeigt, dass Netzwerk und Diskurs zwei Konstrukte sind, die zusammen betrachtet werden müssen. Ohne die Ideen Gülens und ihre Bedeutung in einem bestimmten sozio-historischen Kontext, dem Gülen-Diskurs, kann man nicht verstehen, was die Menschen in seinem Umfeld zu einem Netzwerk mit den beschriebenen Merkmalen hat werden lassen. Doch ohne die Kenntnis der Strukturen dieses Netzwerkes und seiner Entwicklung kann nicht verstanden werden, wie dieser Diskurs entstand und welche Bedeutung er für diejenigen besitzt, die an seiner Produktion und Reproduktion beteiligt sind. Das Leben Fethullah Gülens zeigt, welche direkten Konsequenzen diskursive Fragen auf sein Netzwerk hatten und wie Veränderungen der Netzwerkstruktur auf seinen Diskurs wirkten.
Beide Begriffe weisen jedoch Merkmale auf, die sie miteinander kombinierbar machen. Netzwerk und Diskurs beschreiben jeweils eine Form der Einbindung. Die einzelnen Aussagen Gülens sind in einen Diskurs eingebunden, er selbst ist als Person in ein Netzwerk aus Beziehungen eingebunden. Die starke Korrelation von dem Netzwerk Gülens und seinem Diskurs ergibt sich aus der besonderen Struktur der für ihn wichtigen Netzwerke. Die Netzwerke, die im Leben Fethullah Gülens bedeutsam waren, dienten explizit der Schaffung und Verbreitung bestimmter diskursiver Inhalte. Die Cemaat kann in diesem Sinne als Diskursnetzwerk begriffen werden. Sowohl dem von mir gebrauchten Diskurs- als auch dem Netzwerkbegriff wohnt dabei das Wechselspiel zwischen Eingebundensein und freier Entscheidung des Individuums inne. So zeigt das Leben Fethullah Gülens, wie er sein eigenes Netzwerk und seinen eigenen Diskurs entwickeln konnte und welche Rolle dabei bereits etablierte Netzwerke und Diskurse spielten.
Im Leben Fethullah Gülens stützten sich Netzwerk und Diskurs und bedingten sich gegenseitig. Im vorliegenden Fall konnten durch die Netzwerkanalyse Entwicklungen im Diskurs plausibel gemacht und durch den Einsatz der Diskursanalyse Entwicklungen des Netzwerks besser verstanden werden. Die Diskursanalyse erweist sich hierbei als wesentliche Bereicherung für die Verwendung der Netzwerkanalyse beim Studium schriftlicher Quellen.
Netzwerk- und Diskursanalyse müssen also miteinander kombiniert werden, um zu verstehen, wie Ideen durch die Tätigkeiten ihrer Anhänger gesellschaftliche Relevanz gewinnen können. Die Beschäftigung mit beiden Begriffen auf der theoretischen Ebene kann neue Perspektiven für die Untersuchung der Wirkung von Ideen auf soziale Prozesse liefern.
[1] Unter „Anhängern" und „Anhängerschaft" Fethullah Gülens subsumiere ich diejenigen Menschen, die sich in ihrem Handeln von Fethullah Gülen motiviert sehen und seine Ideen zumindest teilweise als handlungsrelevant erachten.
[2] Unter „nichtreligiöser" Bildung verstehe ich im folgenden Lehrinhalte, die kein explizit theologisches Wissen vermitteln, z.B. Fremdsprachen, Naturwissenschaften und musische Fächer. Fethullah Gülen selbst hebt in seinen Lehren die Unterscheidung zwischen „religiösem" und „nichtreligiösen" Wissen auf.
[3] Der Zusammenhang von Diskursen und Netzwerken zeigte sich in vielen Arbeiten und in den Tagungen der Nachwuchsforschungsgruppe. Meine detailliertere Betrachtung des Zusammenhangs wurde nicht zuletzt durch die Gruppe angestoßen.
[4] Thomas Schweizer, 'Netzwerkanalyse als moderne Strukturanalyse', in: Thomas Schweizer, Netzwerkanalyse: Ethnologische Perspektiven, Berlin, 1988, S.1-32, S. 1.
[5] Ich gebrauche den Begriff qualitative Netzwerkanalyse für meine Analyseform der Beziehungen, die für das Entstehen der Bildungseinrichtungen relevant sind; die Begriffe „Netzwerkforschung" oder „Netzwerkperspektive" scheinen mir dem hohen Stellenwert der theoretischen Grundlagen der klassischen Netzwerkanalyse nicht ausreichend Rechnung zu tragen.
[6] Für die Zeit bis 1970 liegen ausführliche Beschreibungen seiner Einzelbeziehungen vor. Später wurde er aber eine sehr bekannten Person, die eine so große Zahl an Einzelkontakten unterhielt, daß diese nach Personengruppen geordnet werden müssen.
[7] Auch wenn meine Überlegungen von der Lektüre Michel Foucaults angeregt wurden, übernehme ich seinen Diskursbegriff nicht vollständig und teile wesentliche Implikationen seines Diskursbegriffs nicht. Dies trifft insbesondere auf die Allmacht des Diskurses bei Foucault zu.
[8] Zum historischen Raum vgl. Hannelore Bublitz, 'Diskursanalyse als Gesellschafts-›Theorie‹', in: Hannelore Bublitz & Andrea D. Bührmann, Das Wuchern der Diskurse: Perspektiven der Diskursanalyse Foucaults, Frankfurt 1999, S. 22-48, S. 23.
[9] Hiermit orientiere ich mich an T.A. van Dijks Definition von Diskursanalyse, der schreibt: „In sum, discourse studies are about talk and text in context." Teun A. van Dijk (Hrsg.), Discourses as Structure and Process. Discourse Studies: a Mulitdisciplinary Introduction, London 1997, S. 3. In der praktischen Durchführung der Diskursanalyse orientierte ich mich an der Vorgehensweise der kritischen Diskursanalyse, wie sie u.a. von Jäger und Link vorgestellt wird. Hierzu: Siegfried Jäger & Jürgen Link, Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung, Duisburg 1993.
[10] Lâtif Erdoğan, Fethullah Hocaefendi. "Küçük Dünyam", Istanbul 1997, S. 33-44.
[11] Erdoğan, Fethullah Hocaefendi. "Küçük Dünyam", S. 45.
[12] Ali Bulaç, 'Cemaatin modern karakteri'. Zaman, 16.9.2000.
[13] Multiplexität bezeichnet die Tatsache, daß zwei Akteure oder Akteursgruppen durch Beziehungen unterschiedlicher Qualität miteinander verbunden sind, so z.B. die gleichen religiösen Überzeugungen haben und miteinander auch durch geschäftliche Beziehungen verbunden sind. Zu dieser Art der Beziehungen und ihrer Wichtigkeit s. Michael Schenk, 'Die Ego-zentrierten Netzwerke von Meinungsbildnern ("Opinion Leaders")'. Kölner Zeitschrift für Soziologie & Sozialpsychologie, 45 (2), 1993, S. 254-269.
[14] Zu den Entwicklungen innerhalb der Nurcus s. Hakan M. Yavuz, 'Printed-Based Islamic Discourse and Modernity: The Nur Movement', in: Nesil Foundation (Hrsg.), The Third International Symposium on Bediuzzaman Said Nursi. The Reconstruction of Islamic Thought in the Twentieth Century and Bediuzzaman Said Nursi, Istanbul 1997, S. 324-350.
[15] Gülen engagierte sich im Verteilen dieser Schriften. Zum Leben, Werk und der Bedeutung Necip Fazıl Kısaküreks für islamischen Diskurs in der Türkei s. İsmail Kara, Türkiye' de İslamcılık Düşüncesi. Metinler/ Kişiler, Istanbul 1987, S. 243-374.
[16] Schweizer, 'Netzwerkanalyse als moderne Strukturanalyse', S. 16.
[17] Auf der diskursiven ebene drücken sich die Hierarchien in einer gruppeneigenen Terminologie für die Beziehungen aus.
[18] Vgl. Tolga Çelik, 'Bir Zamanlar Nur Talebesiydi.'. NTV MAG, No. 14 (Oktober 2000), S. 58.
[19] Erdoğan, Fethullah Hocaefendi. "Küçük Dünyam", S. 145-149.
[20] In der Feldforschung zeigte sich, daß viele Menschen durch die Bildungseinrichtungen auf die Cemaat aufmerksam gemacht wurden.
[21] Hier ist vor allem die Art und Weise zu nennen, mit der Gülen säkulares Wissen als Mittel beschreibt, zu einer rationalen Überzeugung von der Existenz Gottes zu gelangen.
[22] Vgl. Gokhan Cetinsaya, 'Rethinking Nationalism and Islam: Some Preliminary Notes on the Roots of "Turkish-Islamic Synthesis" in Modern Turkish Political Thought'. The Muslim World, No. 89 (3-4), 1999, S. 350-376.
[23] In einem Interview gibt er an, daß die Entstehung der Bildungseinrichtungen im Ausland möglich wurde, weil man neben Kontakten in die Region auch das entsprechende Lehrpersonal hatte und die Idee eines Engagements vor Ort durch die entsprechenden Medien verbreiten konnte. Eyüp Can, Fethullah Gülen ile Ufuk Turu, Istanbul 1996, S. 17.
[24] In diese Zeit fällt auch der Aufstieg der Zeitung Yeni Şafak, die viele Leser hinzugewann und sich wesentlich expliziter islamisch artikulierte.
[25] Mehmet Barlas, 'Hocaefendi Sendrom'. Yeni Şafak, 10.10.2000.
[26] Oral Çalışlar, Cemaat ve Tarikatların Siyasetteki 40 Yılı. Erbakan Fethullah Gülen kavgası, Istanbul 2001, S. 183. So wie Titel Bestandteil des Diskurses sind, sind ebenso Buchverlage ein diskursives Element. Wenn der Verlag der Tageszeitung Sabah das Buch "Nevval Sevindi, Fethullah Gülen ile New York Sohbeti, Istanbul 1997" herausgab, so kann dies als Anerkennung der Person gedeutet werden. Ebenso waren die einwöchigen, wohlwollend geführten Artikelserien in großen türkischen Tageszeitung ein Statement dieser Zeitungen zugunsten Gülens. So z.B. Nuriye Akmans Artikelserie in Sabah vom 23.1.-31.1.1995.
[27] Cüneyt Ülsever, 'Ötekini içimizden atmadan nasıl köprü olacağız?', Hürriyet, 14.2.2002; Hüseyin Gülerce, 'Türkiye´nin üç koordinatı', Zaman, 14.2.2002. In Hürriyet wird heute von „Fethullah Gülen" gesprochen.
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